Akkusystem von Nio

Das chinesische E-Auto-Startup Nio ist Pionier für neue Wechselakku-Systeme. (Bild: Nio)

Vor wenigen Wochen präsentierte das chinesische Elektro-Startup Nio eine neue 100-Kilowattstunden-Batterie. Diese soll gegenüber der bisherigen 70KWh-Batterie die Reichweite der Nio-Elektroautos um rund 100 auf über 600 Kilometer erhöhen. Und natürlich will Nio sie von Beginn an in sein Wechselakku-System integrieren.

Seit Mai 2018 bietet Nio für seine Elektroautos Stationen mit je fünf geladenen Akkus an. Diese werden innerhalb weniger Minuten im Tausch gegen leere Akkus der Autos eingesetzt. Inzwischen betreibt das Unternehmen 158 Stationen in 50 Städten und entlang der Autobahnen von Peking nach Shanghai sowie von Peking ins Perlflussdelta. Mindestens eine neue Station kommt nach Angaben von Nio-Chef William Li jede Woche dazu. Zwischen Mai 2018 und Ende August 2020 wechselte das Unternehmen bereits rund 800.000 Batterien. Ebenfalls im August rief Nio „Battery as a Service“ (BaaS) ins Leben: Ein Programm, das die Batterie als getrennt vom Auto betrachtet. Kunden können so das Auto ohne Batterie kaufen, den Akku stattdessen mieten und in den Wechselakku-Stationen tauschen. Ein Nio-Modell mit 70KWh-Batterie kostet umgerechnet 8.900 Euro weniger, wenn sich der Kunde für die Mietbatterie entscheidet. Diese kostet 125 Euro im Monat. Bei der neuen stärkeren Batterie ist der Unterschied noch größer. Ein Kunde von Nios BaaS-Dienst müsse sich zudem keine Sorgen um Alterung oder Updates des Stromspeichers machen, sagt Jan Burgard, China-Experte und geschäftsführender Partner bei Berylls Strategy Advisors. „Er hat stets Zugriff auf die aktuelle Batterie-Hardware.“

Nio hat Vorbildcharakter

Inzwischen sind auch andere Firmen eingestiegen – allen voran Beijing Electric Vehicle Marketing (BJEV), die Elektrotochter des Pekinger Staatskonzerns Beijing Automotive (BAIC). BJEV betreibt mit dem auf Wechselakku-Systeme spezialisierten Dienstleister Aulton New Energy aus Shanghai gut 200 Batterietausch-Stationen in 19 chinesischen Städten.

In anderen Teilen der Welt war der Einstieg in solche Systeme indes nie geglückt. Das einst vielversprechende Wechselakku-Startup Better Life aus Israel ging 2013 nach wenigen Jahren pleite, weil es keine Partner aus der Industrie für die kostspielige Entwicklung fand. Ein 2013 von Tesla gestartetes Wechselakku-Pilotprojekt scheiterte am mangelnden Interesse der Kunden.

Chinas Regierung ist mit an Bord

Im April 2020 kündigten vier Ministerien - darunter das Finanzministerium - an, das Tauschbatterie-Modell „energisch voranzutreiben“. Für Elektroautos mit Wechselakkus werden seitdem auch dann Kaufsubventionen gezahlt, wenn das Auto mehr als 300.000 Yuan (38.000 Euro) kostet – was bei normalen Ladebatterien nicht mehr der Fall ist. Im Mai nahm Peking Wechselakku-Systeme in das Programm „Neue Infrastruktur“ zur Bekämpfung der ökonomischen Folgen der Corona-Pandemie auf. Das Industrieministerium will Wechselakku-Systeme durch lokale Pilotprojekte in verschiedenen Städten voranbringen. In einem Papier des Staatsrates zur Förderung der Elektromobilität bis 2035 wurde die Technologie im Oktober erstmals in einem Atemzug mit dem Aufbau von Ladesäulen genannt.

Ähnliche Projekte sprießen daher wie Pilze aus dem Boden. Im Juli unterzeichneten BAIC und der State Grid Electric Vehicle Service ein Kooperationsabkommen zum Aufbau eines Wechselakku-Netzes mit 100 Stationen bis Juni 2021. Der Staatsriese Chang‘an Auto will ebenfalls mit Aulton New Energy Wechselakku-Stationen bauen. Auch die japanische Softbank kooperiert mit Aulton bei Wechselakkus und Batterie-Recycling. Autobauer Geely will ebenfalls in das Geschäft mit den Tauschbatterien einsteigen.

Wechselakkus brauchen Standards

Bisher sind die Wechselakkus der verschiedenen Hersteller nicht miteinander kompatibel. Dies ist laut dem Berylls-Experten Jan Burgard vor allem für kleinere Firmen wie Nio problematisch: „Bei häufiger Nutzung des Wechselservices erscheinen lediglich fünf Akkus pro Station sehr wenig. Kommen sechs Nio-Fahrer in schneller Folge, wäre für den letzten keine volle Batterie verfügbar.“ Nio müsste also weitere Batterien bereitstellen, was Kapital binde.

Gäbe es einen gemeinsamen Standard für alle Tauschbatterien, könnten Elektroautofahrer dagegen auf Stationen anderer Hersteller ausweichen. Als ersten Schritt entwickelte Nio mit BJEV einen gemeinsamen Sicherheitsstandard. Auch die Regierung kündigte an, das Thema anzugehen.

Ein weiteres Problem ist die Erreichbarkeit von Wechselstationen. Nio-Kunden können daher ein so genanntes Power Mobile rufen. Das sind laut Burgard „mit Akkus bestückte Kleintransporter, die einen Nio binnen zehn Minuten mit 100 km zusätzlicher Reichweite versorgen können.“ Unternehmenschef William Li denkt bereits weiter: Ab 2021 werde die Firma mit Nachdruck an einer zweiten Generation von Wechselstationen arbeiten. Diese werde weniger kosten und leichter aufzubauen sein. Lis Ziel ist es, möglichst bald 1.000 Stationen zu betreiben. Wenn andere Firmen ähnlich euphorisch bleiben, könnte die Idee in China erstmals Erfolg haben. 

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