BMW-Produktion in Mexiko

Mit neuen Technologien und modernen Werken sind die deutschen Hersteller in Mexiko gut auf das Wiederanlaufen der Produktion vorbereitet. (Bild: BMW)

Eine positive Nachricht vorneweg: Einen grundlegenden Strategiewechsel der deutschen Automobilunternehmen in Lateinamerika wird es im Zusammenhang mit der aktuellen Pandemie sicher nicht geben. Auch wenn das ganze Ausmaß der landesweiten Shutdowns noch nicht absehbar ist und Prognosen nach wie vor unsicher sind, weil die Infektionskurven in Lateinamerika erst am Anfang stehen.

Fakt ist aber: Unternehmen, die sich wie die OEMs Audi, BMW, Daimler und Volkswagen oder die Zulieferbetriebe wie Bosch, Continental und Dräxlmaier, bereits seit Jahrzehnten mit lokaler Produktion in Lateinamerika beschäftigen, haben schon viele Krisen auf dem Kontinent erfolgreich gemeistert. Für die Erholungsphase nach der Coronakrise sehen sie sich technisch sogar in einer guten Ausgangsposition, nachdem sie viel in das wichtige Thema Digitalisierung investiert haben und in Lateinamerika diesbezüglich als gut aufgestellt gelten.

Fakt ist aber auch: Insbesondere die Automobilindustrie ist durch die Auswirkungen der Pandemie finanziell stark gebeutelt, wodurch kurzfristige Investitionen und Beschäftigung in ganz Lateinamerika erheblich leiden werden. Eine aktuelle Umfrage von AHK und DIHK deutet darauf hin, dass beispielsweise in Mexiko 36 Prozent der deutschen Unternehmen in den nächsten zwölf Monaten nicht investieren wollen.

Die Regierung der zweitgrößten Volkswirtschaft in Lateinamerika hat der Krise gerade fiskalpolitisch wenig entgegenzusetzen: Kurzarbeit existiert nicht und das von der organisierten Privatwirtschaft geforderte Konjunkturpaket wurde von der Regierung abgelehnt. Für alle nicht systemrelevanten Produktionen gilt in Mexiko ein landesweiter Shutdown bis zum 30. Mai 2020 – dazu zählt ausdrücklich auch die Automobilbranche. Inspektoren kontrollieren den Stillstand, bei Zuwiderhandlung drohen strafrechtliche Verfolgung und hohe Bußgelder.

Seit März stehen die Bänder still

In den großen Zentren der Automobilindustrie Nord- und Zentralmexikos steht seit Ende März die Produktion der OEMs still, mit entsprechender Auswirkung auf die Zulieferer, die es besonders hart trifft: Mitarbeiter konnten von jetzt auf gleich nicht mehr beschäftigt werden, da man Produkte für built-to-order- und nicht für built-to-stock-Fahrzeuge fertigt. „Dementsprechend ist es uns nicht möglich, auf Lager zu produzieren. Dafür ist die Variantenvielfalt zu groß“, heißt es aus der Pressestelle von Dräxlmaier. In Mexiko und Nicaragua musste das Unternehmen seine Angestellten nach Hause schicken, hat aber weiterhin Lohnkosten. Und es droht eine weitere Herausforderung: Mitarbeiter und Infrastruktur sind nicht mehr auf dem Stand von vor der Krise, was folgenreiche Verzögerungen verursachen kann.

Bosch, Continental, Magna, Lear und viele weitere Zulieferer haben ihre Betriebe vor dem Hintergrund der Ausbreitung des Coronavirus ebenfalls stark eingeschränkt und reagieren damit nicht nur auf Regierungsrestriktionen wie in Mexiko, sondern auch auf die stark rückläufige Nachfrage in ganz Lateinamerika.

Die Regierung lenkt ein

Sie alle lässt jetzt ein Einlenken von Mexikos Regierung aufhorchen: Die drei mexikanischen Verbände der Automobilindustrie (INA, AMIA und ANPACT) haben am 5. Mai gemeinsam mit den Regierungsstellen einen Leitfaden ausgearbeitet, der die Sicherung des Gesundheitsschutzes bei Wiedereröffnung der Fabriken garantieren soll. Der Leitfaden erfordert von jedem Unternehmen eine Selbst-Zertifizierung. Darüber hinaus müssen sich alle Mitarbeiter verpflichtend an einem Online-Kurs der staatlichen Sozialversicherung beteiligen, der Voraussetzung für die Rückkehr an den Arbeitsplatz ist.

Das ist die Grundlage dafür, dass die im Land ansässigen Automotive-Unternehmen im Gleichtakt mit den nordamerikanischen Betrieben die Produktion wieder aufnehmen können sollen und damit die Funktionsfähigkeit der Lieferketten gewährleisten. Teile der US-Wirtschaft haben ihre Produktion bereits am 4. Mai wieder hochgefahren. Darauf abgestimmt, wollen deutsche Unternehmen in Mexiko ihre vorbereiteten Szenarien schnellstmöglich umsetzen: Die Zulieferbetriebe und die OEMs stehen in den Startlöchern, um ihre Produktionen ab 11. Mai zu starten. Sie planen intensiv an entsprechenden Hochlaufkurven.

Weitere lateinamerikanische Regierungen wägen ebenfalls intensiv zwischen dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung und den wirtschaftlichen Auswirkungen ab. Das zeigt sich auch in deren antizipativer Ankündigung, die Produktion der wichtigen Automobilindustrie früher als ursprünglich geplant freizugeben. Ab dem 11. Mai soll es auch in Brasilien und Argentinien wieder losgehen.

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