automotiveIT Kongress 2025
Der automotiveIT Kongress 2024 zeigte vor allem eines: IT ist Business und Business ist IT. CIOs wie Katrin Lehmann und Alexander Buresch sowie IT-Experten und Branchenkenner gaben spannende Einblicke in die Digitalisierung der Automobilindustrie und diskutierten die wichtigsten Tech-Trends.
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Vor zwanzig Jahren war die Welt noch eine andere. Facebook wurde gegründet und war noch eine exklusive Plattform für Harvard-Studenten, das iPhone gab es noch gar nicht und im Kino lief „I, Robot“ mit Will Smith. Die fiktive Geschichte des Blockbusters zeichnet eine Welt, in der humanoide Roboter zum Alltag gehören. Die Story spielt im Jahr 2035.
Davon sind wir heute zwar noch elf Jahre entfernt, doch humanoide Roboter sind bereits jetzt Realität. Anfang August, fast auf den Tag genau 20 Jahre nach dem Kinostart des Hollywood-Streifens, verschickt BMW eine Pressemitteilung, die davon handelt, dass ihr humanoider Roboter namens Figure 02 Mitarbeiter im US-Werk Spartanburg demnächst bei ergonomisch ungünstigen sowie ermüdenden Aufgaben entlasten soll. Zwar befindet sich das Projekt noch in einer Pilotphase, doch zeigt es, wie umfangreich die Einsatzfelder künstlicher Intelligenz sein könnten.
Ohne externe Anbieter geht es auch bei BMW nicht
Im Gegensatz dazu wirkt Marco Görgmaiers Arbeit fast konventionell. Denn er sorgt als Vice President Enterprise Platforms and Services, Data, Artificial Intelligence unter anderem dafür, dass KI mithilfe der hauseigenen Data- & AI-Plattform eine schnelle Skalierbarkeit von Use Cases im gesamten Unternehmen ermöglicht. In seiner aktuellen Position bei BMW gebe es viel Gestaltungsfreiraum, und mit dem aktuellen Push durch generative KI könnten er und sein Team aktiv die Zukunft des Unternehmens mitgestalten. Die Geschwindigkeit der Veränderungen in diesem Bereich sei enorm, die Marktdynamik, ohne klaren Marktführer, extrem spannend. BMW sei hier in der Lage, auf die schnellen Wandlungen zu reagieren und die Strategie entsprechend anzupassen.
„Bei BMW gibt es drei Blöcke, wie wir KI im Unternehmen ausrollen“, erklärt Görgmaier. Erstens setzt der OEM auf externe Angebote von Anbietern wie Microsoft, AWS, GitHub und SAP. Dazu kommen als zweiter Block eigens für BMW entwickelte und maßgeschneiderte Applikationen für bestimmte Anwendungsfälle – sogenannte Bespoke-Applikationen. Der dritte Block ist eine Selfservice-Plattform, auf der die Beschäftigten eigene Bots entwickeln und diese zukünftig auch mit den Mitarbeitern teilen können. Gerade dies soll die breite Nutzung und Skalierung von KI in der BMW Group stark beschleunigen.
Mitarbeiter sollen eigene Apps entwickeln
Der Hype um generative KI hat auch bei BMW schnell zu ersten Pilotprojekten geführt, die nun industrialisiert werden. „Wir haben festgestellt, dass die Skalierung von KI-Anwendungen entscheidend ist“, so Görgmaier. Dabei verfolgt BMW einen Ansatz, der auf Return on Investment basiert. Die höchste Priorität wird dabei auch den Umsetzungsvorhaben mit dem größten Nutzen für das Unternehmen eingeräumt. „Das Ziel ist es, ein Governance-Framework zu etablieren, das die Compliance sicherstellt und es den Mitarbeitern ermöglicht, eigene Apps zu entwickeln und zu teilen.“
Bereits vor dem Hype um Generative AI begannen die Münchner mit der Entwicklung erster KI-Applikationen, damals noch mit klassischen Modellen. 2019 wurde ein Data Transformation Office gegründet, um auch in den Fachbereichen Data Management und Governance zu etablieren. Dies ermöglichte eine nutzengetriebene Umsetzung von Use Cases auf der Datenplattform und legte die Basis für zukünftige Erweiterungen. Im Jahr 2021 dann wurde die KI-Plattform weiter ausgebaut und der Ansatz standardisiert, um schneller skalieren zu können.
Hubs arbeiten weltweit rund um die Uhr für BMW
Personell kann Görgmaier beim Ausrollen der KI-Tools aus dem Vollen schöpfen. In der Münchner Zentrale gibt es ein großes Plattformteam, das von mehreren Software-Development-Hubs unterstützt wird. In Südafrika, im portugiesischen Joint Venture mit Critical TechWorks sowie in China und Indien wird dafür gesorgt, eine schnelle Skalierung von KI-Anwendungen zu ermöglichen. Die Tatsache, dass BMW somit auf eigene Ressourcen zurückgreifen kann, sei ein großer Vorteil. „Unser Ziel ist es, schnell zu industrialisieren und die Technologien in unsere Unternehmensprozesse zu integrieren“, betont Görgmaier. Generell analysieren BMWs Tech-Offices frühzeitig technologische Entwicklungen. Dabei arbeiten sie eng mit Hochschulen zusammen und es werden Pilotprojekte, zum Beispiel im Bereich Agentic AI Systems, durchgeführt.
Bereits heute werde KI in allen Bereichen des Unternehmens eingesetzt. Produktion und Logistik sind typische Bereiche, in denen kontinuierlich optimiert wird. AI ist dort eine Technologie, die sehr erfolgreich angewendet wird, zum Beispiel durch AIQX (AI for Quality Inspection), das in der Produktion zur Qualitätssicherung mithilfe von KI genutzt wird. Ein anderes Beispiel ist der Einsatz im Marketing. Hier nutzt BMW KI zur Textgenerierung für verschiedene Marketingkampagnen. CI-Guidelines, Tonalität und Stil werden dabei vorgegeben, wodurch die Effizienz erhöht und die Kosten gesenkt werden sollen. All diese Einsatzmöglichkeiten basieren auf den technischen Komponenten der Data- & AI-Plattform. Über ein integriertes Plattformangebot mit entsprechenden Services treibt die BMW Group die Geschwindigkeit der KI-Adaption voran.
KI-Einsatz soll keine Angst auslösen
Allerdings betont Görgmaier, dass gleichzeitig die Hausaufgaben erledigt sein müssen. Dazu gehöre das Thema effektives Datenmanagement. „Es ist entscheidend, dass eine nahtlose Einbindung und Verwaltung der Daten aus den verschiedenen Quellen gewährleistet ist.“ Gerade bei unstrukturierten Daten biete KI enormes Potenzial, welches sich aber nicht von selbst erschließe, sondern viel Basisarbeit benötige. Ein großes Thema ist ebenfalls die Etablierung durchgängiger Governance. „Klare Strukturen und Prozesse sind für den KI-Einsatz erforderlich“, betont Görgmaier. Unternehmen müssten ethische und regulatorische Anforderungen definieren, Risiken managen und einen verantwortlichen Umgang gewährleisten.
Auf die Frage nach den Auswirkungen von KI-Tools auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter reagiert Görgmaier gelassen: „Ich sehe KI nicht als Bedrohung, sondern als Unterstützung. KI hilft, bestimmte Aufgaben schneller zu erledigen oder Teilaufgaben zu automatisieren“, führt er aus. Bei BMW werde seit Langem Technologie eingesetzt, um zu automatisieren, und das gilt jetzt auch für die Wissensarbeit. Es sei entscheidend, die Mitarbeiter auf die Reise mitzunehmen und zu befähigen. Das hat für die BMW Group hohe Priorität. Dafür wurden Erlebnisräume wie das „Future Lab“ oder der sogenannte „Pulse“ geschaffen, wo Mitarbeiter den zukünftigen Einsatz von KI erkunden und sich mit verschiedenen Use Cases vertraut machen können. Zudem werden dedizierte Trainings angeboten, von Prompt-Schulungen bis hin zu KI-Basisschulungen.
Ganzheitliches KI-Konzept durchdringt alle Prozesse
Für den AI-Manager Marco Görgmaier steht fest: „Künstliche Intelligenz wird auf absehbare Zeit in jedem Unternehmensprozess eine Rolle spielen, vom Einkauf über die Produktion bis zum Vertrieb. Ich nenne das: AI everywhere.“ Konkret blickt der KI-Chef dabei auf drei Bereiche. Einerseits die multimodalen Modelle, die verschiedene Informationen verarbeiten können. Spannend werde es, wenn diese Modelle auch den Kontext – beispielsweise das Umfeld – verarbeiten können, in dem sie agierten. Dann dürften die Vorhersagen präziser und die Entscheidungen besser werden, hofft Görgmaier. Mit weiteren Fortschritten bei KI-Agenten werde auch die Automatisierung ganzer Aufgaben umfangreicher möglich. „Zudem können sie für komplexe Problemlösungen eingesetzt werden – auch interaktiv im Zusammenspiel mit dem Menschen.“
Womit wir wieder bei den humanoiden Robotern wären. Und solange diese – anders als im Film – nicht außer Kontrolle geraten, dürften sowohl Mitarbeiter als auch Kunden von BMW ihre Freude an der Zukunft mit KI haben.