Die New-Mobility-Player scheinen die Coronapandemie bislang relativ gut überstanden zu haben. Trügt dieser Eindruck?
Anscheinend waren die finanziellen Mittel bei vielen Anbietern ausreichend, um die Corona-Hochphasen zu überstehen. Einige Player zeigten sich aber auch flexibel und haben ihr Geschäftsfeld in der Krise schnell auf andere Bereiche ausgeweitet, beispielsweise auf Essenslieferungen. Trotzdem bewegen sich Mobility-Akteure jetzt in eine Reife- und Konsolidierungsphase, in der es darum geht, echten Mobilitätsnutzen zu generieren und nachhaltig profitable Geschäftsmodelle zu etablieren.
Woran machen Sie das konkret fest?
Beispiel Fahrdienstvermittlung: Hier schälen sich zwei bis fünf dominierende Player heraus, die das Fahrdienst-Business immer stärker ausdifferenzieren und unter sich aufteilen. Ganz vorne mit dabei sind Uber und Didi Chuxing, die zusammen mit wenigen anderen ein echtes Oligopol aufgebaut haben. Das Ziel dieser Player ist ein umfassendes Mobilitäts-Ökosystem, mit dem sich am Ende des Tages auch Geld verdienen lässt.
Das Schwerpunktthema des Mobility Services Report 2021 sind die autonomen Fahrdienste. Welches Potenzial hat die Automatisierung des Verkehrs für neue Mobilitätsdienstleistungen?
Um es deutlich sagen: Das autonome Fahren wird für die geteilte Mobilität zum Game Changer. Autonome Fahrdienste werden neue Umsatzpotenziale heben und Mobilitätsakteure in die Gewinnzone führen. Wenn kein menschlicher Fahrer mehr nötig ist und Fahrdienste mit Robotaxiflotten ausgestattet sind, ergeben sich ganz neue lukrative Geschäftsfelder. Doch das wird nicht von heute auf morgen gelingen. Zwar tun sich aktuell in den USA, in Europa oder China immer mehr Anwendungsfälle auf, dennoch wird die Entwicklung schrittweise erfolgen. Ich warne davor, bereits jetzt einen großen Hochlauf zu erwarten.
Welche Kompetenzen müssen Akteure für die „Autonomous Mobility“ mitbringen?
Für autonome Sharing-Dienstleistungen sind Kompetenzen auf zwei Ebenen vonnöten: Zum einen braucht es ein hochentwickeltes autonomes Fahrsystem mit leistungsfähiger Sensorik, Rechenkapazitäten und Kartendaten. Zum anderen bedarf es Skills für den Betrieb von Mobilitätsplattformen hinsichtlich des Nutzererlebnisses, der Kundendaten oder des Aufbaus entsprechender Operating-Zentren. Für viele etablierte Akteure vor allem aus der Autoindustrie ist das eine Herausforderung, an die man sich kaum heranwagt. Auch aus Angst vor Reputationsverlust, sollte beim Betrieb eines Robotaxidienstes mal etwas schiefgehen.
Bei den Automobilherstellern ergibt sich ein uneinheitliches Bild: Manche OEMs wie Daimler, BMW oder Stellantis verfügen schon über ein breites Portfolio, andere experimentieren noch. Wohin führt die New-Mobility-Reise für die klassische Autoindustrie?
In der Tat ist eine starke Polarisierung zwischen den OEMs festzustellen, die sich mit neuen Mobilitätsdienstleistungen beschäftigen. Nur sehr wenige haben die Sharing-Mobility überhaupt als relevantes Geschäftsfeld der Zukunft identifiziert. Das liegt daran, dass die Entscheider in den Vorstandsetagen aktuell so sehr mit dem Wandel im Ownership-Bereich beschäftigt sind, dass sie der Blick über den Tellerrand des eigenen Geschäftsmodells überfordert. Dazu kommt, dass nur wenige über die für geteilte Mobilität notwendigen Kompetenzen wie zum Beispiel Plattform-Knowhow oder Data Management verfügen. Und selbst für gut aufgestellte Player wie Daimler und BMW steht das Thema strategisch nicht an erster Stelle. Denn auch sie wissen, dass in den nächsten Jahren noch viel Kraft und Geld in die Mobilitätsdienste fließen müsste, um am Ende profitabel zu werden und auch dem Wettbewerb mit den großen Mobility-Providern standhalten zu können. Ob die Autobauer dieses Durchhaltevermögen besitzen, ist äußerst fraglich.
Der Mobility Services Report 2021
Das CAM hat im Mobility Services Report 2021 über 400 Services von Automobilherstellern, Digitalplayern und Mobility Providern in den Bereichen Fahrdienstvermittlung, Carsharing, multimodale Dienste sowie Micromobility nach quantitativen und qualitativen Kriterien erfasst und analysiert. Die vier Haupttypen wurden in 17 relevante Servicetypen untergliedert, die sich wiederum auf circa 140 Player mit den einzelnen Dienstleistungen verteilen. Die Servicestärke wird anhand eines gewichteten relationalen Index mit einer Reihe aussagekräftiger Indikatoren wie Anzahl der Kunden oder Flottengröße bestimmt. Alle Rankings, Fakten und Hintergründen des aktuellen MSR können hier als Summary oder in der Langfassung kostenfrei heruntergeladen werden.