Eine Frau geht auf ein weißes Auto zu, im Vordergrund stehen Fahrräder nebeneinander.

Gerade in der Stadt kommt es auf den Mobilitätsmix an. Viele Anbieter wollen die eine Plattform bieten, die alle Angebote miteinander vereint. (Bild: Adobe Stock / Herr Loeffler)

Stehen wir bei den Mobilitätsdiensten am Scheideweg? Diese Frage muss man stellen, findet Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management (CAM). Die Akzeptanz für die Dienste ist auf wenige Gruppen beschränkt. Es gibt kein exponentielles Wachstum - im Gegenteil. Der Expansionsmodus ist beendet. Der Fokus liege eher auf der Profitsicherung und dem Senken der Kosten, so das Fazit Bratzels hinsichtlich des Mobility Services Report 2022 (MSR), den er auf dem Mobility Circle vorgestellt hat. Zudem haben die letzten Jahre gezeigt, wie sehr die Dienste von globalen Krisen beeinflusst werden. Trotz allem tun sich für verschiedenste Mobility Services reelle Chance auf, einen festen Platz im Mobilitätsmix der Zukunft einzunehmen.

Der vierte Mobility Services Report des Center of Automotive Management, automotiveIT und Cisco fokussiert die Entwicklungstrends im Bereich Mobilitätsdienstleistungen in den wichtigsten Marktregionen der Welt. Das CAM hat hierfür rund 400 Services von Automobilherstellern, Digitalplayern und Mobility Providern erfasst und bewertet. Ein neuer Haupttyp heißt in diesem Jahr „Autonome Dienste“, wozu autonome Shuttles oder Robotaxis gezählt werden. Die weiteren Bereiche sind identisch zum letzten MSR: Carsharing, multimodale Dienste, Micromobility und Fahrdienstvermittlung. Die fünf Haupttypen wurden in 17 besonders relevante Servicetypen untergliedert, die sich wiederum auf circa 150 Player mit den einzelnen Dienstleistungen verteilen.

Servicestärke von BMW fällt drastisch

Betrachtet man die Servicestärke der Automobilhersteller steht Mercedes-Benz wie bereits in den letzten Jahren ganz oben. Dahinter gab es jedoch einige Verschiebungen. Größter Verlierer ist BMW. Trotz ihrer Kooperation mit Mercedes-Benz im Your-Now-Joint-Venture haben die Münchener satte 109 Indexpunkte verloren und rangieren nur noch auf dem sechsten Rang. Stellantis dagegen rückt von Platz drei auf zwei vor und verbessert seine Marktposition vor allem beim Carsharing durch die Übernahme von Share Now.

Toyota ist besonders breit aufgestellt und kommt jetzt auf Rang drei. Im Vorjahr war der Volumenhersteller noch zwei Plätze weiter hinten. Insgesamt ist das Servicestärke-Niveau der Autohersteller gegenüber dem Vorjahr deutlich gesunken. Angebote wurden eingestellt oder deutlich reduziert. "Haben die OEMs überhaupt die Kompetenzen, um das Thema Mobilitätsdienstleistungen zu führen? Diese Frage müssen wir stellen", fasst Stefan Bratzel die Situation zusammen.

Didi und Uber führend bei den Fahrdiensten

Im Bereich Fahrdienstvermittlung sind Taxi-Portale und Privattaxis die derzeit wichtigsten Servicetypen. Dominiert werden beide Bereiche von Didi und Uber. Auch wenn Uber in den Pandemiejahren vermehrt auf neue Geschäftsmodelle gesetzt hat und der Abstand zu Platz drei im Servicestärke-Ranking um knapp 30 Punkte geschmolzen ist, spielt das US-Unternehmen gemeinsamen mit Didi noch immer in einer eigenen Liga. Trotzdem: „Die großen Hoffnungen, im Bereich Fahrdienste neue, große Märkte erobern zu können, haben sich bislang nicht bestätigt", sagt Stefan Bratzel. Das Geschäft ist aktuell überhaupt nicht profitabel. Für den CAM-Leiter kann sich dies nur im Zusammenhang mit dem autonomen Fahren ändern.

Konsolidierungsphase beim Carsharing

Im Service-Hauptfeld Carsharing spielen Automobilhersteller eine wichtige Rolle. Die bis dato führenden Player Mercedes-Benz und BMW sind mit dem Verkauf von Share Now nicht mehr in der Rangliste vertreten. Stattdessen führt Stellantis nun das Feld der Carsharing-Player an. Insgesamt ist die Anzahl aller Anbieter gefallen. Dies hängt zum einen an Übernahmen, aber auch an der Pandemie, welche diverse Lockdowns erzwang und die Mobilität einschränkte. „Wir sehen weltweit eine Art Konsolidierungstrend im Bereich des Carsharings“, so Stefan Bratzel. Aus Kundensicht würde der Experte die Entwicklung des Carsharings mit der Schulnote Vier bewerten.

Wer bündelt Mobilitätsangebote am besten?

Bei den multimodalen Diensten werden mehrere Verkehrsträger in einer App gebündelt. Dadurch soll die Reisekette optimiert sowie Routeninformation, Routenplanung und Buchung vereint werden. Hier liegt Didi Chuxing vorn. Der chinesische Mobility Player tritt als Multimodal-Provider auf, sodass sich die Dienste in der App nicht nur anzeigen, sondern auch buchen lassen. Die Marktdurchdringung der Deutschen Bahn und Citymapper ist zwar deutlich geringer, allerdings besitzen sie ein besonders breites Angebot und vereinen drei Servicetypen.

Autobauer partizipieren nicht beim Bike-Sharing

Micromobility umfasst die Personenmobilität der „letzten Meile“ mit Hilfe von elektrischen oder mit Körperkraft betriebenen Ein-Personen-Fahrzeugen. Aktuell sind Bikesharing und E-Scooter-Sharing-Services die relevantesten Angebote in diesem Bereich. Die hohe Punktzahl der beiden Spitzenreiter Lime und Tier resultiert aus einer breiten Marktdurchdringung sowohl bei Verleih-Fahrrädern als auch E-Scootern. Hyundai bleibt als einziger OEM in den Top 10 bei den Scootern vertreten – in Form einer Micromobility-Plattform namens ZET, deren Verkauf allerdings bereits geplant ist.

Offener Kampf um die autonomen Dienste

China zieht beim autonomen Fahren das Tempo an. Erster Spitzenreiter der neuen Hauptkategorie „Autonome Dienste“ ist Baidu. Das Portfolio des chinesischen Unternehmens umfasst die Baidu-Unit Apollo Autonomous Driving Services, die bereits mit Robotaxi, Robobus und Apolong (Minibusse) selbstfahrende Technologien entwickelt und produziert. Besonders breit im autonomen Markt vertreten ist Alphabet über die Tochter Waymo. Der Dienst verfügt im Vergleich über eine besonders hohe Anzahl an Robotaxis (knapp 700) und hat die größte Erfahrung in Form autonom zurückgelegter Kilometer. Probleme gibt es aber noch mit der Technik. "Vor zwei Monaten haben sich in Kalifornien 13 autonome Fahrzeuge auf einer Kreuzung versammelt und diese blockiert“, berichtet Stefan Bratzel. Allgemein ist in der neuen Kategorie noch nicht ausgemacht, ob Big Data Player oder Mobilitätsdienstleister langfristig die Oberhand gewinnen. "Für Automobilhersteller sind autonome Services aber nicht die Domäne", so Automobil-Fachmann Stefan Bratzel.

Wie sieht die Mobilität in 2030 aus?

Für die Beschreibung von Zukunftsszenarien zur Mobilität in Deutschland bis 2030 sind Technologiedynamiken in den beschriebenen Zukunftsfeldern, politische Steuerung und Regulation, der Wandel des Mobilitätsverhaltens sowie regionale Raumstrukturen wichtige Einflussfaktoren. Im Szenario „Ownership – Status quo“ bleibt der private Pkw-Verkehr sowie der Kauf beziehungsweise Besitz von Fahrzeugen durch Privatleute und Unternehmen das dominierende Mobilitätsmuster.

Bei Szenario zwei „Sharing/Multimodalität 2030“ wird von eher günstigen Rahmenbedingungen für die Herausbildung neuer Sharing- oder integrierter Mobilitätskonzepte ausgegangen. Fahrdienste und sonstige Mobilitätsdienstleitungen setzen sich sehr viel stärker durch, wodurch Mobilität zunehmend on-demand über multimodale Mobilitätsplattformen gebucht und deren Fahrzeuge durch Endkunden immer stärker genutzt werden. Die fünf Einflussfaktoren auf diese Szenarien waren Autobesitz versus Autonutzung, Vernetzung der Verkehrsträger, autonomes Fahren, politisch-regulative Rahmenbedingungen und die Region.

So entsteht der Mobility Services Report:

Das Cover des MSR 2022

Das CAM hat im Mobility Services Report 2022 über 400 Services von Automobilherstellern, Digitalplayern und Mobility Providern nach quantitativen und qualitativen Kriterien erfasst und analysiert. Die Servicestärke wird anhand eines gewichteten, relationalen Index mit einer Reihe aussagekräftiger Indikatoren wie Anzahl der Kunden oder Flottengröße bestimmt. Die Langeversion der Studie können Sie hier kostenfrei herunterladen.

Sie möchten gerne weiterlesen?