Aufspringen, antreten oder einfach mal rein in die Pedale! Mobilitätsangebote wie elektrische Roller, Bikes oder Tretroller haben in den vergangenen Jahren stark zugelegt. Dies liegt den Marktexperten von McKinsey zufolge insbesondere daran, dass E-Roller & Co. als recht günstige und intuitive Form der Fortbewegung und mithin als schnellste Verkehrsmittel in Ballungsräumen gelten.
Sharing-Angebote im Bereich der Mikromobilität ergänzen bestehende, klassische öffentliche Verkehrsmittel und sichern für viele Nutzer die Anschlussmobilität der letzten Meile. Alleine der Umsatz im Segment E-Scooter-Sharing beträgt einer Erhebung von Statista zufolge 2021 etwa 1.103 Millionen Euro. Laut der Prognose wird im Jahr 2025 ein Marktvolumen von 2.112 Millionen Euro erreicht, was einem jährlichen Umsatzwachstum von 17,64 Prozent entspricht.
Was ist Mikromobilität?
Mikromobilität steht für die Fortbewegung mit E-Scootern, Tretrollern, Segways, Hoverboards, Monowheels, Skateboards, klassischen Fahrrädern sowie E-Bikes. Aufgrund ihrer geringen Größe und dem meist elektrischen Antrieb gelten sie im urbanen Raum als Alternative zum Pkw und ergänzen den öffentlichen Nahverkehr auf der letzten Meile. Durch Sharing-Angebote werden sie auch ortsfremden Personen zugänglich gemacht und können zu einem umweltfreundlicheren Verkehr beitragen.
Diese Anbieter betreiben E-Scooter-Sharing
Zwar handelt es sich bei diesem Geschäftsfeld - besonders mit Blick auf die Scooter - um einen recht jungen Sektor, der noch nicht über die Wucht der Fahrdienstvermittler verfügt. Dennoch steckt ein enormes Potenzial hinter den Diensten, so der neue Mobility Services Report von automotiveIT und dem Center of Automotive Management (CAM). Wie aus der Studie hervorgeht, tummeln sich rund um das E-Scooter-Sharing Startups wie Neutron (Lime), Bird, Tier Mobility oder Bolt.
Die US-amerikanische Lime-Holding Neutron kann demnach auch Branchengrößen wie Didi Chuxing oder die chinesische Plattform Meituan bei Dienstleistungen rund um E-Tretroller oder Verleihräder hinter sich lassen. Beim elektrischen E-Scooter-Sharing spielt auch Bird eine wichtige Rolle: Der kalifornische Anbieter ist in 300 Städten vor allem in den USA, Mexiko und Europa vertreten. Aus Deutschland kommt das Startup Tier Mobility, das mittlerweile 13 Länder sowie über 100 Städte bedient und unter anderem mit Free Now eine Plattformallianz geschmiedet hat. Zu den hierzulande bekannten und größten Sharing-Diensten bei Fahrrädern zählt etwa das bereits 2004 gegründete Nextbike.
Sharing ist ein junger Mobilitätszweig
Wie jung das Feld der Massenmobilität mit individuellem Touch noch ist, zeigt die Chronik insbesondere für E-Scooter. Während sich das Geschäft mit Fahrrädern bereits geraume Zeit etabliert hat, sind E-Scooter und die mit ihnen verbundenen Verleih- oder Vermietgeschäfte noch in der Rolle des Newcomers. Der erste Sharing-Anbieter im Segment E-Tretroller ging im Herbst 2017 im US-amerikanischen Santa Monica an den Markt. Mit einem gewissen Abstand zogen dann die ersten europäischen Städte nach, weiß man beim Deutschen Institut für Urbanistik (difu) zur Vita der Scooter.
Zu dieser Zeit erarbeitete die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) im Auftrag der Bundesregierung noch eine Studie, in der die Möglichkeiten ermittelt werden sollten, wie Elektro-Kleinstfahrzeuge oder auch Personal Mobility Devices (PMD) künftig auf deutschen Straßen zuzulassen seien. In Deutschland erfolgte die Einführung dann im Juni 2019 mit Inkrafttreten der Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen (eKFV) am Straßenverkehr – also für jene Fahrzeuge mit Lenk- und Haltestange.
Bereits mit dem Startschuss dieser mikromobilen Geräte habe der Verdrängungswettbewerb begonnen, urteilten die Marktexperten von Oliver Wyman in einer Analyse aus dem Jahr 2020. Nicht einmal ein Jahr nach dem Start der Personal Mobility Devices auf ihren kleinen Rollen diagnostizierten die Marktbeobachter eine teils massive Überschätzung des Marktes. Dies liege daran, dass sie sich nicht unbedingt als ersehnter Zubringerverkehr für den ÖPNV, sondern häufig nur als Ersatz für das „Fußgängertum“ erweisen, hieß es dazu.
Fahrrad und Scooter werden multimodale Partner
Aus zahlreichen Metropolen im Lande vernahm man kurz nach Start des E-Scooter-Vermietgeschäfts dann auch kritische Stimmen, etwa über wild geparkte oder herrenlose Roller. Zudem wurde Kritik laut, dass die Fahrzeuge nach Gebrauch oft auf ökologisch eher zweifelhafte Weise per Lieferwagen aufwändig eingesammelt und an ihren Hauptstandort zurückgebracht werden. Im Betrieb habe sich überdies gezeigt, dass die Flotten alle paar Monate getauscht werden müssen, was auf die Kosteneffizienz der Betreiber drücke. Schließlich kam dann noch die Coronapandemie dem Hype um die kleinen Mobile in die Quere.
Früh hieß es, dass es ein besserer Weg sei, die elektrischen Tretroller besser in multimodale Mobilitätsverbünde zu integrieren, die übersichtlich in nutzerfreundlichen Apps zusammenfließen. Dies stellten auch die Marktexperten von Wyman fest und prognostizierten damit eine Entwicklung, die sich bereits vor einem Jahr abzuzeichnen begann. Denn schon im Frühjahr 2020 kristallisierten sich neue Formen der Integration heraus, wie etwa jene des Fahrdienstvermittlers Uber, der in Lime investierte und E-Scooter zum Leihfahrradgeschäft der Eigenmarke Jump hinzufügte. Diesen Expansionsgedanken äußerte man bei Uber bereits 2018. Auch Uber-Konkurrent Lyft integrierte zu diesem Zeitpunkt bereits E-Scooter in sein neues Leihfahrrad-Angebot. Im März 2022 folgte der Mietwagenanbieter Sixt, der die Fahrräder von Nextbike in seine App integrierte.
Smarte Kooperationen befeuern Mikromobilität
Wie das Geschäft mit Rollern, Bikes & Co. mittlerweile läuft, zeigen die Zahlen einzelner Anbieter wie auch die zwischenzeitlich in Gang gesetzten Integrationen von Angeboten im Mikromobilitätssektor. So wirbt etwa Bolt damit, im Jahr 2020 den Scooterbetrieb auf 45 Städte in über 15 Ländern ausgeweitet zu haben - darunter Schweden, Norwegen und Portugal. 2021 sollten die E-Scooter dann über den gesamten Kontinent verteilt und in über 100 Städte angeboten werden. Mit 130.000 E-Scootern und E-Bikes auf den Straßen werde man 2021 offiziell zum größten Mikromobilitätsanbieter Europas, heißt es bei Bolt.
Mit dem Zusammenführen von Hardware in Form von Bikes und Rollern mit attraktiven Software-Angeboten machen derzeit zahlreiche Anbieter auf sich aufmerksam. Als ein nahtloses Mobilitätserlebnis von Tür zu Tür und weiteren Meilenstein zu einer weltweit führenden, offenen MaaS-Plattform (Mobility-as-a-Service) bezeichnet Ulrich Edelmann, Chief Strategy Officer des App-Anbieters Reach Now die Kooperation mit dem Anbieter von E-Scootern Tier.
Autohersteller entdecken Scooter-Markt
In diesem Sommer meldete Spin, die Mikromobilitäts-Tochter von Ford, in Deutschland weiter Fuß fassen zu wollen. Das Unternehmen kündigte mit dem Standort Berlin einen Gang über die Grenzen Nordrhein-Westfalens hinaus an, wo es mit 120 E-Scootern durchstartete. Zeitgleich mit dem Startschuss in Berlin gab der E-Scooter-Betreiber auch eine Partnerschaft mit dem App-Anbieter Moovit bekannt. Die Anwendung zählt weltweit mehr als eine Milliarde Nutzer in 112 Ländern und bietet Services aktuell in über 1.500 Städten in Europa und dem Nahen Osten an.
Im November 2021 folgte die Nachricht, dass E-Scooter und E-Bikes des Mikromobilitätsanbieters Dott über die App der Multimobilitätsplattform Free Now, dem Mobilitäts-Joint Venture von Daimler und BMW, verfügbar sein werden. Die Partnerschaft startete im Januar 2022 in Köln, Bonn und Aachen. Der Rollout in weiteren deutschen Städten sowie Polen. Frankreich, Großbritannien, Italien und weiteren Ländern sei in Planung, so die Unternehmen.
Mobility-as-a-Service bedeutet Integration
Schlaue Formen einer Verquickung und Digitalisierung der Mobilitätsangebote verbergen sich hinter dem Begriff Mobility-as-a-Service (MaaS). Damit sind Konzepte der Integration von und der Zugang zu verschiedenen Mobilitätsdienstleistungen gemeint, die dem Nutzer maßgeschneiderte Angebote für seine Mobilitätswünsche liefern sollen. In den kommenden Jahren könnten immer neuere Anwendungen und Angebote folgen. Diese seien oft getrieben vom Kampf um einen höheren Marktanteil, berücksichtigen aber häufig nicht die Auswirkungen auf städtische Mobilitätssysteme, heißt es von Seiten des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO).
Bisher gebe es weder einen standardisierten Prozess, noch ein Werkzeug, mit dem sich neue Mobilitätslösungen, ihr potenzieller Einfluss auf den städtischen Raum sowie ihre Leistung im Vergleich zu anderen Lösungen beurteilen lassen, fassen die Experten die Herausforderungen zusammen. Im Projekt MaaS_Together zielen die Wissenschaftler daher auf die Entwicklung eines Dienstes zur Standardisierung und Zertifizierung von MaaS-Komponenten für Städte ab. Das Fraunhofer IAO ist daran maßgeblich mit der Datenerhebung, der Planung sowie der Konzeption des Zertifikats beteiligt.
Kommunen müssen Mobilität mitgestalten
Aus Sicht der Städte und Gemeinden empfehle es sich, neue Sharing-Angebote schrittweise auszurollen und diese gemeinsam mit den Anbietern nach einem klassischen „Plan-Do-Check-Act“-Zyklus kontinuierlich zu verbessern und konsequent an den Bedürfnissen der Bürger auszurichten, heißt es in einem Whitepaper von DB Curbside Management und Dekra Digital. Um den Städten und Gemeinden sowie den Mobilitätsanbietern die Arbeit zu erleichtern und datenbasierte Entscheidungen zu treffen, sei hierbei eine digitale Unterstützung zum Beobachten, Planen und Steuern aller Sharing-Angebote unerlässlich.
Vorbilder für das In-die-Hand-nehmen des eigenen Schicksals könnten hierbei Städte wie Wien und Helsinki sein. Die beiden europäischen Metropolen betreiben mit Blick auf MaaS-Konzepte Tochterunternehmen, kommunale Plattformen und Apps, mit deren Unterstützung sie die eigenen Mobilitätsangebote im Rahmen eines multimodalen Ansatzes fördern und intelligent vernetzen. Die Kommunen schaffen sich so einen eigenen Freiraum bei der Gestaltung der eigenen Großstadtmobilität.