
Brigitte Courtehoux ist seit Januar 2021 CEO von Free2move. (Bild: Stellantis)
Frau Courtehoux, vor rund zweieinhalb Jahren hat Free2move ShareNow übernommen. Wie hat sich die Strategie Ihres Unternehmens nach der Übernahme verändert?
Wir haben ShareNow vor zwei Jahren gekauft und am 7. Oktober 2024 die vollständige Integration in unsere Marke bekannt gegeben. Wir sind nun vollständig auf die Marke Free2Move umgestiegen, zumindest was die App betrifft. In den nächsten sechs Monaten werden wir auch die Fahrzeuge umbranden, sodass die Marke ShareNow vollständig entfernt wird. Diese Übernahme war ein wichtiger Schritt für uns, da wir schneller wachsen wollten. Wir hatten uns damals gefragt, ob wir auf organischem Wege expandieren sollten, was Zeit und Geld gekostet hätte, oder ob wir eine Übernahme anstreben. ShareNow war bereits Marktführer in Europa mit einer starken Kundenbasis und einer guten Technologie, die wir mit unserer zusammengeführt haben. Jetzt bieten wir unseren Kunden eine einheitliche Frontend-Erfahrung.
Wie sehen Sie die Rolle von Free2move bei der Transformation der urbanen Mobilität, insbesondere im Hinblick auf die Integration von Free-Floating-Carsharing in bestehende städtische Infrastrukturen?
Wir verstehen uns als Ergänzung zum öffentlichen Nahverkehr und zu anderen Formen urbaner Mobilität. Unsere Kunden nutzen uns, weil es einfach ist: In weniger als 300 Metern Entfernung von ihrem Standort finden sie ein Auto, und sie können es überall parken. Aus Kundensicht ist das entscheidend, denn es bietet eine nahtlose Erfahrung. Anders als bei einem Taxi, wo man einen Fahrer hat, bleibt man unabhängig. Sie können unser Auto für 30 Minuten oder auch für zwei Tage nutzen. Wir sehen uns als eine wichtige Ergänzung der Mobilität, denn unsere Kunden nutzen uns und gleichzeitig auch andere Transportmittel, was zeigt, dass sie beides brauchen.

Mobility Circle 2024
Anhand des diesjährigen Mobility Services Report erläutert Stefan Bratzel am 06.11. auf dem Mobility Circle in München die wichtigsten Entwicklungen der Mobilität.
„Elektrisch, autonom, multimodal, kooperativ“ sind die zentralen Stichworte für technologische und soziale Innovationen zur Gewährleistung einer nachhaltigen Mobilität in sektorübergreifenden Ökosystemen. Mike Reichelt (BMW), Roland Villinger (Škoda) und Christian Dahlheim (VW Financial Services) u. v. m. führen die spannenden Diskussionen der vergangenen Jahre weiter.
Wie gehen Sie mit den Herausforderungen der öffentlichen Raumnutzung um, insbesondere in Städten, wo Parkplätze und Straßenraum stark umkämpft sind?
Das Parken ist tatsächlich ein zentrales Thema, wenn wir in einer neuen Stadt starten. Es ist wichtig, dass ausreichend Parkplätze zur Verfügung stehen, da das für die Kunden der größte Schmerzpunkt ist. Wenn man ein Taxi nimmt, muss man sich keine Gedanken ums Parken machen. Deshalb ist es für uns entscheidend, dass es genügend Parkplätze gibt. Leider sind diese nicht immer kostenlos, was für uns ein hoher Kostenfaktor ist. Die Städte brauchen uns, denn der öffentliche Nahverkehr kann sich nicht unbegrenzt ausdehnen, und wir bieten eine kostengünstige Ergänzung. Es ist wichtig, dass uns die Städte weiterhin Parkplätze zur Verfügung stellen, da wir sonst nicht nachhaltig arbeiten könnten.
Welche Geschäftsfelder haben bei Free2Move welche Bedeutung? Neben Carsharing bieten Sie auch Mietwagen, Auto-Abos und Leasingmodelle an. Können Sie uns dazu mehr Einblick geben?
Natürlich. Das Free-Floating-Carsharing ist ein großer Bestandteil unseres Geschäfts, aber nicht der einzige. Wir sind heute in etwa 16 Städten präsent und haben zudem Franchise-Partner, die ihre Fahrzeuge auf unserer Plattform anbieten. Dadurch können Kunden sowohl im Stadtzentrum als auch in Vororten oder ländlichen Gegenden eine Lösung finden. Insgesamt haben wir in Europa etwa 3.000 Franchise-Partner. Unsere Kunden nutzen uns überwiegend in Stadtzentren, aber es gibt auch viele in den Vororten oder ländlicheren Regionen. Darüber hinaus haben wir Partnerschaften mit Mietwagenfirmen auf der ganzen Welt, um sicherzustellen, dass unsere Kunden überall eine passende Lösung finden. Unser Portfolio ist breit aufgestellt, um sowohl B2C- als auch B2B-Kunden bestmöglich zu bedienen.
Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um die Mobilität in ländlichen Regionen zu verbessern, die nicht in den Städten oder Vororten liegen?
Unsere Franchise-Partner sind nicht nur in den Vororten, sondern auch in ländlichen Regionen aktiv. Das Ziel ist es, sicherzustellen, dass unsere Kunden uns überall finden können – auch außerhalb der großen Städte. Die Franchise-Partnerschaften spielen hierbei eine zentrale Rolle.
Elektromobilität ist ein wichtiges Thema in der öffentlichen Diskussion. Wie hoch ist der Anteil an Elektrofahrzeugen in Ihrer Flotte, und was hindert Sie daran, vollständig auf Elektrofahrzeuge umzusteigen?
Derzeit liegt der Anteil unserer Elektrofahrzeuge bei etwa 25 Prozent und wir wollen diesen Anteil 2025 weiter erhöhen. Die größte Herausforderung ist die Ladeinfrastruktur. Entweder müssen wir selbst in Ladehubs investieren, was sehr kostspielig ist, oder die Stadt stellt die notwendige Infrastruktur bereit. Das ist entscheidend, denn wenn unsere Fahrzeuge nicht schnell genug geladen werden können oder die Ladestationen defekt sind, steigen unsere Kosten erheblich. Eine gute Ladeinfrastruktur ist daher von zentraler Bedeutung, um den Anteil an Elektrofahrzeugen in unserer Flotte zu erhöhen.
Denken Sie, dass es Ihre Aufgabe ist, die Ladeinfrastruktur zu verbessern, oder erwarten Sie mehr Unterstützung von der Politik?
Wir brauchen definitiv die Unterstützung der Städte und Regierungen. In einigen Fällen können wir eigene Ladehubs bauen, aber das ist in Städten mit hohen Immobilienpreisen, wie Berlin, oft nicht wirtschaftlich. Es ist wichtig, dass Städte und private Unternehmen zusammenarbeiten, um die notwendige Infrastruktur bereitzustellen. Letztendlich geht es darum, die Kosten im Blick zu behalten und sicherzustellen, dass die Infrastruktur in den Städten für uns tragbar ist.