Auto-Abos kennt jeder. Doch Nutzfahrzeuge zu abonnieren statt zu leasen oder kaufen – das sorgt noch für fragende Blicke. Selbst beim Verband der Automobilindustrie (VDA) löst eine Anfrage von automotiveIT zum Thema eine gewisse Ratlosigkeit aus. Dabei entwickelt sich hier ein neues, attraktives Geschäftsfeld, das auch von OEMs wie Mercedes-Benz oder Stellantis bespielt wird. Denn so lassen sich Bedarfe der Kundschaft flexibel befriedigen, ohne dass diese einen großen Fuhrpark unterhalten und managen oder sich lange an Leasingverträge samt hoher Anfangsinvestitionen binden müssen. Im Abo-Modell hingegen zahlt man nur so lange Miete, wie man ein Fahrzeug wirklich braucht, wobei meist bis auf Sprit oder Strom alle laufenden Kosten, von Versicherung über Service bis Reparatur, inklusive sind.
Wobei sich Anbieter flexibel zeigen: „Bei den Abo-Modellen kann auch vom Umfang differenziert werden“, erklärt Sven Lierzer, Senior Manager bei Capgemini Invent. So würden sowohl Modelle angeboten, die nur das Fahrzeug umfassen als auch umfangreiche Pakete inklusive Versicherung, Roadside Assistance, Reparaturen und so weiter. Lierzer: „Gerade im Logistikbereich ist die Minimierung der Downtime von Trucks ein wichtiger Faktor. Hier bieten Abo-Modelle den Kunden einen einfacheren Weg, ausgefallene Fahrzeuge nahtlos zu ersetzen.“
Wie groß ist der Markt für Nutzfahrzeuge im Abo?
Das Angebot wächst ständig, wobei neben Herstellern auch Händler und Plattformen wie Faaren, Like2drive und ViveLaCar ein breites Angebot diverser Fahrzeuggrößen und Nutzungsmöglichkeiten anbieten. Die monatlichen Kosten starten bei rund 400 Euro. Die Marktanalysten von Capgemini gehen sogar davon aus, dass der Trend vom Fahrzeugbesitz zur (abobasierten) Fahrzeugnutzung im Schwerlastbereich noch stärker ausfallen könnte als bei Pkws.
Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie des Beratungsunternehmens. „So bieten Abo-Modelle Kunden eine gewisse Flexibilität in Hinblick auf inkludierte Serviceleistungen und Laufzeit. OEMs eröffnet sich die Möglichkeit, Service-orientierte Angebote zu entwickeln und anzubieten und so das After-Sales-Geschäft auszubauen“, erläutert Christian Hummel, Leiter des Automobilbereichs bei Capgemini Invent.
Laut Studie sind die Vorteile abobasierter Nutzung vielen Unternehmern einen Aufpreis wert – und zwar vor allem bei Elektro-Fahrzeugen: Befragte, die Elektrovarianten von Nutzfahrzeugen in Betracht ziehen, würden für ein Abo im Schnitt 15 Prozent mehr bezahlen als für Langzeit-Leasing, berichtet Hummel. Unternehmen, die weiterhin auf Verbrenner setzen, nur einen fünf-prozentigen Aufpreis. Fast die Hälfte der Befragten wünscht sich ein Abo direkt beim Hersteller. Leasingfirmen – selbst solche, bei denen man bereits Kunde ist – werden deutlich seltener als präferierter Abo-Anbieter genannt. Gefragt ist auch Flexibilität: Mehr als die Hälfte der Befragten wünscht sich bei Abo-Modellen ein Angebot mit frei zubuchbaren Service-Bausteinen. Eine fixe Offerte ohne frei wählbare Bestandteile präferiert die Minderheit.
Können Abos die Elektrifizierung pushen?
Spannend wird es bei der Frage nach elektrifizierten Fahrzeugen: Knapp die Hälfte der Befragten ist bereit, im Rahmen von nutzungsbasierten Abos auf rein elektrische oder hybride Nutzfahrzeuge zu setzen. „Ein für den Nutzfahrzeugbereich mit den Anforderungen an Reichweite, Ladezeiten oder die Nutzlastkapazitäten ein beeindruckend hoher Wert“, kommentiert Hummel.
Ein Trend, den man bei Daimler schon vor Jahren gewittert haben muss. Denn hier wurde 2021 ein Abo-Modell aufgesetzt, das Gewerbetreibenden elektrifizierte Nutzfahrzeuge wie den E-Vito und den E-Sprinter schmackhaft machen soll. Man sieht darin auch die Chance, skeptische Gewerbetreibende Stromer erproben zu lassen, ohne dass sie beim Invest in die Vollen gehen müssen. „Das Abo-Modell bietet Kunden die Möglichkeit, sich ohne längerfristige Verpflichtung von Elektromobilität im Alltag zu überzeugen und deren Vorzüge kennenzulernen“, bringt es Benedikt Schell, Vorstandsvorsitzender der Mercedes-Benz Bank AG, auf den Punkt. Abgesehen davon dürften Hersteller und Händler auf ein Anschlussgeschäft spekulieren. Viele Nutzfahrzeug-Abonnenten wechseln nach Ablauf des Vertrags in klassisches Leasing, wenn sich E-Fahrzeuge bewährt haben und der Bedarf besser eingeschätzt werden kann.
Lierzers Fazit: „Daher ergibt sich gerade mit BEV-Trucks eine Win-Win Situation sowohl für Kunden wie OEMs.“ Neue Technologien wie batterieelektrische Lkw oder mit Wasserstoff angetriebene Trucks könnten vergleichsweise risikoarm und ohne lange Bindung getestet werden. „Für diese Vorteile können gegenüber dem Leasing natürlich höhere Kosten anfallen“, sagt Lierzer, „OEMs bietet sich durch Abo-Modelle der Vorteil, neue Service-orientierte Geschäftsfelder zu erschließen.“ Mit Blick auf die V2X-Technologie bei BEV-Trucks interessant: „Die Batterien können netzdienlich geladen und entladen werden“, bemerkt Lierzer, „Durch das Laden zu nachfrageschwachen Zeiten, wenn Strom günstiger ist, und das Zurückspeisen ins Netz zu angebotsstarken Zeiten, wenn Strom teurer ist, lassen sich potenziell ebenfalls Erlöse erzielen.“
Für wen sich Nutzfahrzeug-Abos lohnen
Abo-Anbieter wie MHC Mobility heben noch auf einen weiteren Umweltaspekt ab, weil das Mieten von Nutzfahrzeugen eine Form des Carsharings darstelle, was als nachhaltige Mobilitätslösung gelte. Entscheidender sind wohl andere Vorteile für Gewerbetreibende, die man bei MHC Mobility hervorhebt: Bei einem Abo binden sie kein Kapital in einem überdimensionierten und selten ganz ausgelasteten Fuhrpark, weil man alle benötigten Fahrzeuge schnell und flexibel im Nutzfahrzeug-Abo beschaffen kann, etwa um auf Auftragsspitzen reagieren zu können. Bei dem Anbieter kann man auch auf Wunsch Fahrzeuge länger nutzen (bis zu 60 Monate) und für die Anforderungen des Betriebs umbauen lassen. Geworben wird zudem damit, dass sich die Abo-Raten steuerlich geltend machen lassen.
Große Flottenbetreiber dürften wohl kaum zur Zielgruppe der Abo-Anbieter gehören, sondern eher kleine und mittlere Betriebe sowie Kurier- und Lieferdienste, die flexibel auf schwankende Auftragslagen reagieren müssen. Zumal die Fahrzeuge meist flugs über Online-Portale gebucht sind und der gesamte Bürokratie rund um das Fuhrparkmanagement entfällt.