
Frédéric Vincent ist seit 2016 verantwortlich für die IT bei Renault. „Für die Bewältigung der digitalen Transformation braucht man ein paar zusätzliche Hebel“ (Bild: Renault)
Herr Vincent, Sie sind seit 2016 CIO bei Renault und seit 2017 auch für den Bereich Digitalisierung zuständig. Andere Unternehmen haben erst viel später damit begonnen, die Rollen von CIO und CDO zusammenzulegen. Wie wichtig ist es Ihrer Erfahrung nach, beide Aufgaben gleichzeitig zu bewältigen?
Als ich 2016 zu Renault kam, um die digitale Transformation zu leiten, hatte ich noch keine Erfahrung in der Automobilindustrie. Wie Sie wahrscheinlich wissen, kam ich aus der Pay-TV-Branche, in der die digitale Transformation etwas früher angekommen war als in der Industrie und insbesondere in der Automobilbranche. Ich kannte also die Rolle und Aufgabe. Mein Standpunkt war und ist, dass man für die Bewältigung der digitalen Transformation ein paar zusätzliche Hebel braucht. Entweder hat man es mit dem Marketing zu tun, mit dem Vertrieb, oder eben mit der IT wie in meinem Fall. Wenn Sie aber nur für die digitale Transformation zuständig sind, halten Sie an verschiedenen Orten sehr gute Reden, aber Sie kümmern sich nicht um die internen Angelegenheiten. Um die Digitalisierung wirklich in Angriff zu nehmen, müssen Sie über einige Hebel verfügen, um handeln zu können. Es geht darum, IT und Digitales gleichzeitig zu denken und faktisch voranzutreiben. Es bedeutet, zuerst die IT-Landschaft und dann den Rest des Unternehmens zu transformieren.
IT und Digitales gemeinsam denken
Was war Ihr Ansatz, Dinge bei Renault anders zu denken und zu organisieren?
Zu Beginn haben wir drei Dinge gleichzeitig getan. Erstens mussten wir das IT-Team weiterbilden, da es sich zwar um wichtige Dinge wie Legacy kümmerte, jedoch nicht sehr stark auf die Digitalisierung ausgerichtet war. Das notwendige Upskilling brauchte allerdings Zeit. Damit wir nicht warten mussten, bis das IT-Team einsatzbereit war, beschlossen wir, mit Renault Digital eine eigene Tochtergesellschaft zu gründen. In diesem neuen Team hatten wir eine Mischung aus externen Mitarbeitern, die wir wegen ihrer digitalen Fähigkeiten eingestellt hatten, internen Mitarbeitern, die wir brauchten, um eng an all unseren internen Funktionen und unserem Kerngeschäft zu bleiben und auch einigen Drittanbietern, weil wir schnell handeln mussten. Renault Digital funktionierte wie ein Inkubator. Drittens haben wir die für das Unternehmen wichtigsten Themen in Angriff genommen, um schnell zu zeigen, dass es funktioniert. Wir haben also einige große Projekte des Unternehmens, die nicht ganz einfach zu verwalten waren, in Renault Digital integriert und dieses neue Team mit den Verantwortlichen für das Geschäft und die IT zusammengebracht. Und da all diese Leute die gleichen Tools und die gleiche neue und agile Arbeitsweise nutzten und die digitalen Fähigkeiten untereinander austauschten, konnten wir die ersten Releases recht schnell liefern.
Können Sie das an einem konkreten Beispiel verdeutlichen?
Als ich zu Renault kam, hatten wir ein großes Problem mit den britischen, französischen und spanischen Websites von Renault. Diese wurden zwar erneuert, aber sie funktionierten nicht. Es war ein Albtraum. Wir gaben eine Menge Geld aus, um das zu verwalten - und die IT-Abteilung war an dieser Entwicklung überhaupt nicht beteiligt. Dies wurde vom Marketing verwaltet, die direkt mit einer Agentur zusammenarbeitete. Mit der neuen Digitaleinheit und den neuen Arbeitsweisen konnten wir in nur sechs Monaten erste sehr guten Ergebnisse vorweisen. Und das ist extrem wichtig, denn man muss dem Rest des Unternehmens zeigen, dass man in der Lage ist, schnell eine Veränderung herbeizuführen.
Renault Digital ist fast acht Jahre alt. Wenn Sie sich diese Inkubatoren, diese Schnellboote heute ansehen, ergeben sie noch Sinn?
Das ist eine gute Frage. Als wir mit dem Aufbau von Renault Digital begannen, hatten wir eine Konzern-IT aus ca. 2.500 Mitarbeitern. Die neue digitale Struktur umfasste 300 Personen – also etwa zehn Prozent der weltweiten IT-Belegschaft von Renault. Die Idee war, diese Struktur als Lokomotive zu nutzen, um den Rest der IT zu steuern und dann das gesamte Team in die Lage zu versetzen, die digitale Transformation zu meistern. Heute arbeiten etwa 3.000 Mitarbeiter in der IT täglich daran. Die Rolle von Renault Digital hat sich also im Vergleich zu damals ein wenig verändert. Jetzt geht es vor allem um das Management von Innovationsthemen, zum Beispiel künstliche Intelligenz. Das ist der Schlüssel für uns. Ein weiteres Projekt war die letzte Ausbaustufe der agilen Arbeitsweise. Die Digital-Teams sind in diesem Bereich schon etwas weiter fortgeschritten, und wir nutzen dies als Hebel, um den Rest des Teams zu steuern. Sie kümmern sich auch um einige übergreifende Themen, die für die IT-Teams nützlich sind. Dazu gehört beispielsweise das Thema Data Lake, das auch sehr eng mit der KI-Entwicklung verbunden ist. Und letztlich befassen sie sich mit Bereichen, die für die klassische IT ein wenig unzugänglicher sind, nämlich mit der Entwicklung von Diensten, die auf den ersten Blick keinen direkten Automotive-Bezug haben.
Woran denken Sie hier?
Mit der Entwicklung von Elektroautos müssen wir nun auch Dienstleistungen rund um Energie und Ladestationen entwickeln. Das ist ziemlich neu und wir haben nicht unbedingt alle Fähigkeiten, um das zu tun. Hier ist Renault Digital also nützlich, um sich um diese Art von Dingen zu kümmern.
IT als zentraler Treiber des digitalen Wandels
In einem Interview vor einigen Jahren erklärten Sie, dass Sie Ihr Kerngeschäft als CIO, wie die Ablösung von Altsystemen, mit der Digitalisierung des Unternehmens und seiner Produkte in Einklang bringen wollten. Wie ist Ihnen das gelungen und was muss noch getan werden?
Eine der Schwierigkeiten, mit denen wir konfrontiert sind, ist, dass diese digitale Transformation nicht nur für unser Unternehmen eine Herausforderung ist, sondern gleichzeitig auch für alle anderen in der Branche. Die Automobilindustrie ist ein sehr komplexes Geschäft, vom Design über die Entwicklung, die Fertigung, die Lieferkette bis hin zu Vertrieb, Aftersales und Finanzdienstleistungen. Es gibt viele verschiedene Funktionen, viele verschiedene Geschäftsbereiche, die man ansprechen muss, und in jedem einzelnen davon muss man den digitalen Wandel vorantreiben. Um das Ganze zu vereinfachen und den Silo-Effekt zu vermeiden, unterteilten wir das große Ganze in kleinere Teile. Einer davon ist zum Beispiel die Entwicklung. Da gibt es das Design, die Entwicklung des Autos selbst, oder die Beschaffung. Auf diese Weise haben wir das Unternehmen in acht große Prozesse unterteilt. Und für jeden dieser Wertströme – wie wir sie nennen – haben wir zwei Personen benannt, die die Transformation antreiben, eine aus dem Fachbereich und eine aus der IT. Dieses Duo ist für die Festlegung des Fahrplans, des Budgets und der Ressourcen zuständig und dann für die Erbringung der versprochenen Leistung verantwortlich. Und für jeden dieser Wertströme bauen wir einen kleinen digitalen Zwilling der Aktivitäten. Nehmen wir zum Beispiel die Produktion: Da gibt es Inbound- und Outbound-Logistik und natürlich die zahlreichen Shopfloors. Durch die Erstellung dieser digitalen Zwillinge erhalten wir alle Informationen aus den Werken und der Lieferkette in Echtzeit in der Cloud, die dann die Grundlage für unsere Datenverwaltungsprozesse, für Analysen, Prognosen und Simulationen sowie für die Weiterentwicklung unserer KI-Strategie bildet.


„Wir wollen natürlich nicht nur um der Digitalisierung willen digitalisieren. Die Idee ist, das Unternehmen effizienter, profitabler und agiler zu machen, schneller Entscheidungen zu treffen und die Produkte schneller zu liefern.“
Bis zur Coronapandemie war es Ihr Ziel, durch Digitalisierung jährlich rund eine Milliarde Euro an zusätzlicher Wertschöpfung zu generieren. Wie hat sich diese Zahl seit der Krise verändert?
Damals haben wir eine Milliarde angepeilt und wir liegen mit unserer Prognose im Plan. Ja, wir mussten das Tempo etwas drosseln, vor allem wegen budgetärer Zwänge, aber der Wert ist da. Und das zu sehen, ist wichtig für uns. Es bestätigt uns darin, dass wir mit unserem Programm auf dem richtigen Weg sind. Und natürlich wollen wir nicht nur um der Digitalisierung willen digitalisieren. Die Idee ist, das Unternehmen effizienter, profitabler und agiler zu machen, schneller Entscheidungen zu treffen und die Produkte schneller zu liefern. Generierte Wertbeiträge genau nachzuverfolgen ist also der Schlüssel, um sicherzustellen, dass man den richtigen Weg für diese digitale Transformation eingeschlagen hat.
Die wichtigsten To-Dos von Renault-CDIO Vincent
Was steht derzeit ganz oben auf Ihrer Agenda?
Ich denke, wir tun zwei Dinge gleichzeitig, die natürlich miteinander verbunden sind. Das erste ist der Aufbau dieser digitalen Zwillinge, von denen ich gesprochen habe. Denn wie Sie wissen, ist die Automobilindustrie sehr volatil geworden. Wir sehen, dass sich die Rohstoffkosten täglich und mit großen Schwankungen ändern. Die Elektrifizierung der Autos zwingt uns dazu, eine neue Art und Weise zu entwickeln, wie wir Autos bauen und verkaufen. Man weiß vorher nicht, ob sie zehn, 15 oder 20 Prozent des Umsatzes ausmachen werden. Und wie Sie wissen, ist die Materialbeschaffung für Elektroautos ganz anders als für Verbrennerfahrzeuge. Angesichts all dessen müssen Sie in der Lage sein, Ihre Lieferkette sehr schnell anzupassen.
Können Sie uns ein Praxisbeispiel nennen?
Sprechen wir über geopolitische Verwerfungen – und wie sie wissen, gibt es davon viele aktuell. Solche Zwischenfälle können beispielsweise die Lieferung von Autos von Asien nach Europa unmöglich machen oder sie führen dazu, dass Sie das Doppelte für den Transport zahlen müssen. Das ist dann etwas, das Sie vorhersehen und bewältigen müssen. Was wäre, wenn sich die Energiekosten verdoppeln? Wie würde sich das auf die Kosten Ihrer Autos in einem Jahr auswirken, wenn man die Menge der Autos und die Standorte der verschiedenen Werke berücksichtigt? Wie wirkt sich das auf Ihre Gewinnspanne aus, auf die Art und Weise, wie Sie Ihre Autos bauen? Wenn man keine Daten hat, ist es einfach unmöglich, in einem akzeptablen Zeitraum zu reagieren. Mit den Tools, die wir heute haben, können wir das tun. Alles befindet sich in der Cloud und wir können simulieren und überwachen, was passieren könnte, wenn wir diesen oder jenen Parameter ändern. Und wenn man die richtige Einstellung, die richtige Entscheidung gefunden hat, kann man sie auf die physische Welt anwenden.
Welches Potenzial hat KI bei Renault?
Entscheidungen, bei denen Ihnen mittlerweile auch künstliche Intelligenz unter die Arme greift?
Ja, denn unsere Welt wird aufgrund der Vielfalt der von uns gebauten Fahrzeuge und der Anzahl der Parameter, die wir verwalten müssen, immer komplexer. Wir müssen also die Fähigkeiten der KI nutzen, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Der digitale Zwilling ist die Grundlage für den Einsatz von KI – und dafür haben wir große Partnerschaften mit den wichtigsten globalen Akteuren aufgebaut. Wir arbeiten viel mit Google zusammen, um erstens die digitalen Zwillinge in der Cloud zu haben und zweitens alle KI-Funktionen von Google zu nutzen. Der zweite Schritt unserer Strategie besteht also darin, die KI-Fähigkeiten überall im Unternehmen zur Entfaltung zu bringen. Deshalb haben wir AI @ Scale aufgebaut – ein Programm, das entwickelt wurde, um KI überall dort einzusetzen, wo sie Sinn und Mehrwert generiert. Das tun wir schon seit Jahren in Form von maschinellem Lernen und Deep Learning. Jetzt kommt die nächste KI-Generation, die Generative, die wiederum den Unternehmen sehr viel leistungsfähigere Tools zur Verfügung stellt. Aber auch hierfür gilt, dass wir zunächst ausreichend KI-Expertise aufbauen und dann für jeden Wertstrom ein sinnvolles Einsatzgebiet definieren. Das steht im Kern von AI @ Scale.
Und was ist mit den Hausaufgaben in Sachen IT-Infrastruktur?
Natürlich arbeiten wir im Hintergrund die technischen Herausforderungen, wie zum Beispiel die Verlagerung aller Daten von unseren Rechenzentren in die Cloud, ab. Das wiederum gibt uns mehr Flexibilität bei der Skalierung und beim Einsatz von KI. Außerdem erneuern wir alle großen Altsysteme. Wir haben immer noch einige Mainframe-Anwendungen und einige alte Anwendungen, die wir ersetzen müssen. Aber auch das ist nichts, was man in sechs Monaten oder in einem Jahr macht, das braucht Zeit.
KI im großen Maßstab zu nutzen, erfordert eine saubere und konsistente Dateninfrastruktur. Sind Sie mit der Verfügbarkeit und dem Knowhow im Umgang mit Daten bei Renault zufrieden?
Wir haben in den letzten sechs oder sieben Jahren daran gearbeitet, diesen Data Lake aufzubauen und ein Data Master Management bei Renault zu etablieren. Wir sind keine Anfänger mehr. Natürlich haben wir einen langen Weg hinter uns, um diesen Punkt zu erreichen. Aber ich denke, wir haben einen guten Überblick über unsere Daten, was nicht bedeutet, dass alles sauber und konsistent, dass alles verfügbar ist. Wir haben immer noch eine Menge Excel-Dateien überall im Unternehmen rumfliegen, die viele Informationen enthalten, die wir brauchen, um vom vollen Wert der Daten zu profitieren. Und genau hier ist Gen AI für uns interessant. Denn man kann eine Transaktionsdatenbank, die sehr sauber, sehr organisiert und gut dokumentiert ist, mit Excel- oder PDF-Dateien mischen, bei denen der Dateninhalt viel diffuser ist. Die Möglichkeit, KI einzusetzen, ist für uns interessant, weil man nicht darauf warten muss, dass alle Daten gut dokumentiert und an einem Ort verfügbar sind. Selbst mit den heutigen KI-Funktionen sind wir viel schneller in der Lage, alle Daten für das Unternehmen verfügbar zu machen, insbesondere im Vertrieb, wo die Daten wahrscheinlich am wenigsten strukturiert sind, da sich von Land zu Land die Prozesse und Tools teils stark unterscheiden.
Kaum Berührungspunkte mit Nissan oder Mitsubishi
Dazu kommt, dass Renault noch* Teil einer Allianz mit Nissan und Mitsubishi ist. Ist das aus IT-Sicht eine zusätzliche Herausforderungsebene?
Die Realität sieht heute so aus, dass wir verschiedene Unternehmen sind und in Bezug auf Netzwerke, Datenbanken und Anwendungen klar getrennt voneinander sind. Für mich hat diese Allianz keine Auswirkungen auf meine Arbeit. Wir sind drei verschiedene Unternehmen, die sich einige Projekte teilen können, wie wir es mit jedem anderen OEM tun könnten, aber in Bezug auf die IT gibt es keine Vermischung unserer Tätigkeiten.
Ihr Amtskollege bei Nissan ist der ehemalige Mercedes-CIO Jan Brecht. Haben Sie bereits Ideen ausgetauscht?
Natürlich kenne ich Jan, und es war toll, dass er zu Nissan gekommen ist. Und wir haben eine besondere Beziehung zu Nissan, weil wir eine lange Geschichte in der Allianz haben. Ich spreche also manchmal mit Jan, weil wir einige gemeinsame Projekte haben, bei denen sich die IT mit den übrigen Geschäftsbereichen abstimmen muss. Und ja, natürlich tauschen wir uns auch mit allen anderen Unternehmen der Branche aus, ebenso wie mit anderen Industrien. Wie Sie eingangs sagten: Wir befinden uns alle in dieser großen Transformationsära, wir müssen die gleichen Herausforderungen bewältigen. Es ist also immer interessant, gute Ideen auszutauschen und zu sehen, was außerhalb unserer Branche passiert. Manchmal schauen wir zu sehr auf uns in der Automobilblase.
Wenn es um die Digitalisierung geht, ist vor allem Ihr Chef Luca de Meo sehr lautstark. Wie wichtig ist es Ihrer Meinung nach, dass der Wandel von der obersten Führungsebene aus vorangetrieben wird?
Erstens kann man keine große Transformation durchführen, wenn man kein Geld dafür hat. Aber es geht nicht nur um Geld, sondern auch um Investitionen in Form von Ressourcen, die man für diese Projekte aufwendet. Unternehmen konzentrieren sich in der Regel mehr auf die Erreichung der kurzfristigen Ziele. Digitale Transformation indes packen Sie in einen Drei-, Vier- oder Fünfjahresplan, und wenn Sie jeden darin einbinden wollen, dann muss die Initiative vom CEO kommen. Er ist derjenige, der die Vision für das Unternehmen vorgibt, der den Nordstern definiert. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die oberste Führungsebene diese Mission vorlebt und das entsprechende Engagement zeigt. Das hat den Vorteil, dass, sollten einmal Schwierigkeiten auftreten, das Führungsteam und der CEO bei der Problembewältigung helfen können. Natürlich muss man auch regelmäßig Bericht erstatten, man muss zeigen, dass man die erwarteten Leistungen erbringt. Wir halten ein monatliches Review-Meeting mit dem Führungsteam ab, bei dem wir sehr praktische Dinge diskutieren, beispielsweise wo wir auf der Roadmap für die Beschaffung, das Engineering, bei Daten und KI oder bei neuen Arbeitsweisen stehen. Eigentlich ist es eher ein Workshop, um sicherzugehen, dass alle an Bord sind. Und natürlich wird diese Sitzung vom CEO geleitet.


„Digitale Transformation packen Sie in einen Drei-, Vier- oder Fünfjahresplan, und wenn Sie jeden darin einbinden wollen, dann muss die Initiative vom CEO kommen. Er ist derjenige, der die Vision für das Unternehmen vorgibt, der den Nordstern definiert.“
Softwarestrategie und Kooperationspläne
Ein wichtiges Handlungsfeld für de Meo ist die Software. Im Jahr 2021 rief er die Software République aus, ein offenes, kollaboratives Ökosystem aus verschiedenen Tech-Playern. Renault ist auch Mitglied des Datenökosystems Catena-X. Kann der Wandel nur gemeinsam mit anderen gelingen?
Absolut! Zumindest ist das unsere Meinung bei Renault. Wir glauben, dass ein Unternehmen nicht alles allein bewältigen kann. Die Welt ist heute offener und vernetzter als früher. Das Auto muss sich in einer Infrastruktur entwickeln, die man nicht kontrollieren kann. Natürlich kann man jetzt mit den Möglichkeiten der Software im Auto viele Informationen mit der Infrastruktur, mit anderen Autos, austauschen. Aber dafür braucht man Standards. Andernfalls kommunizieren Sie nur zwischen Ihren Autos und mit Ihrer Cloud, aber nicht mit dem Rest der Welt. Deshalb setzen wir uns bei Renault sehr für offene Standards ein. Wir haben uns entschieden, für das Betriebssystem des Autos mit Google zusammenzuarbeiten. Daher ist es nur konsequent, dass wir uns auch an Initiativen wie Catena-X oder Eona-X in Frankreich beteiligen, bei denen die gesamte Branche versucht, gemeinsam zu definieren, wie sie Informationen austauschen kann. Natürlich sind wir immer noch Konkurrenten auf dem Markt, also müssen wir unsere Besonderheiten haben, wir müssen uns differenzieren.
Renault wird dennoch nicht von seinem Plan abweichen, in Zukunft kein eigenes Software-Betriebssystem zu entwickeln?
Wir sind der Meinung, dass es nicht der richtige Weg ist, ein eigenes Betriebssystem zu entwickeln. Es ist wie beim Smartphone: Wir brauchen etwas, das für alle verfügbar ist, und dadurch wird es viel leistungsfähiger und viel schneller für die Kunden bereitstehen. Die „Software République“ ist genau diese Idee, die Mobilität für alle viel effizienter zu machen, mit weniger CO2-Emissionen, mit weniger Stau, mit mehr Komfort für alle. Und um dieses Ziel zu erreichen, muss man eine ganze Reihe von Funktionen anbieten, einen Mix aus Pkw und öffentlichen Verkehrsmitteln. Und deshalb wollen wir mit anderen zusammenarbeiten. Wir glauben auch, dass Europa sein eigenes Ökosystem aufbauen muss, um nicht immer von den USA, China, Japan oder einem anderen Land oder einer anderen Region abhängig zu sein. Und ich denke, dass wir in Europa mit all den Industriegrößen die Chance dazu haben. Wir müssen nur häufiger und intensiver zusammenarbeiten.
*Das Interview wurde vor der Meldung geführt, dass Nissan und Honda eine Fusion erwägen.
Zur Person:

Frédéric Vincent wurde 1968 geboren und schloss sein Studium an der Ecole Centrale in Paris ab. Er begann seine Karriere als IT-Manager bei der Bouygues-Gruppe in Spanien. Er wandte sich sehr schnell dem Multimedia-Bereich zu und begleitete die Einführung der digitalen Technik in der audiovisuellen Industrie. Von TF1 wechselte er zu TPS (später in Canal+ integriert), wo er in verschiedenen IT- und Marketing-Bereichen tätig war. Vincent kam 2016 als CIO zur Groupe Renault. Er ist gleichzeitig Vorsitzender der 2017 gegründeten Tochtergesellschaft Renault Digital und verantwortlich für die digitale Transformation der Groupe Renault. Im Jahr 2019 wird Frederic Vincent zum Executive Vice President für Informationssysteme und Transformation ernannt und bleibt Vorsitzender von Renault Digital. Im Jahr 2021 wird Vincent zum EVP, Group IS IT / Digital, ernannt. Er ist Mitglied des Verwaltungsrats der Renault-Gruppe. Am 1. Februar 2023 übernahm er die neugeschaffene Position des Chief Digital & Information Officer.