
Daniel Wuhrmann, Equity Partner bei der Kanzlei Reuschlaw, stellt eine grundsätzlich "freihandelsfeindliche Entwicklung" in den USA fest. (Bild: reuschlaw / Urban Zintel)
Herr Wuhrmann, sehen Sie im US-Verbot chinesischer Soft- und Hardware in vernetzten Fahrzeugen einen möglichen Verstoß gegen internationale Handelsabkommen oder WTO-Regelungen, insbesondere in Bezug auf den diskriminierenden Charakter der Regelung?
Ich halte die Regelung für fachlich nicht gut gemacht und auch für die US-Industrie potenziell schädlich. Ob die Verbote, gemessen an den WTO-Regeln, unzulässig sind, bezweifle ich. Die innere Sicherheit und der Schutz seiner Bürger zählen zu den wichtigsten Zielen eines Staates und sind nach den Regelungen des WTO-Rechts normierte Anlässe, um geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Dass sich die WTO-Streitbeilegungsgremien dieser Frage überhaupt annehmen werden, halte ich für eher unwahrscheinlich. Ebenso, ob sie – wie 2022 bezogen auf die US-Zölle auf Stahl und Aluminium aus diversen Ländern – den Verboten die Zulässigkeit absprechen werden. Doch selbst wenn das geschehen sollte, würde ich nicht ausschließen, dass die USA derartige Beschlüsse ignorieren oder gar der WTO den Rücken kehren würden. Wir haben das just bei der WHO und dem Pariser Klimaabkommen gesehen: Alles, was mit den Zielen der Trumpschen Politik nicht konform ist, wird aus dem Weg geräumt.
Welche Auswirkungen hat die Final Rule des US-Handelsministeriums auf die strategischen Erwägungen europäischer Autobauer, die Hard- oder Software aus China verwenden oder dies planen, im Hinblick auf den Export in die USA?
Die Verbote sind Teil einer grundsätzlich freihandelsfeindlichen Entwicklung in den USA. Sie könnten in ihrer Intensität durch Zölle noch verstärkt werden. Es ist davon auszugehen, dass die Handelsbeziehungen mit den USA stark leiden werden. Der Absatz wird dort, wo er nicht unmittelbar eingeschränkt wird, mit höheren Kosten verbunden sein. Es könnte dazu kommen, dass sich nicht nur die Lieferketten und die Fahrzeugindustrie von China und Russland abkoppeln und womöglich parallele Strukturen entstehen, sondern auch, dass die Hersteller eigene Werke in den USA erweitern oder gar neu bauen, um den Faktor zu erfüllen, dass Fahrzeuge in den USA hergestellt werden. Abzuwarten bleibt, wie sich die EU und Deutschland verhalten. Halten sie trotz der ebenfalls vorhandenen Handelsangriffe der USA auf die EU an der transatlantischen Partnerschaft und ihrer Auffassung Chinas als Systemrivalen fest, könnte China mit Maßnahmen reagieren, die nicht nur die USA treffen, sondern auch Europa.
Die Regelung lässt Raum für Interpretationen bei der Klassifizierung von Technologien. Wie können Hersteller rechtssicher feststellen, ob ihre Komponenten oder Software von der Regelung betroffen sind?
Insoweit wird auch entscheidend sein, wie „risikofreudig“ die einzelnen Unternehmen sind – das wird die Auslegung und Handhabe beeinflussen. Zudem wird von zentraler Bedeutung sein, wie die US-Behörden bestimmte Produkte qualifizieren und Sachverhalte bewerten. Andererseits hat Trump in den letzten Tagen zahlreiche Dekrete erlassen, die von der dortigen Jurisprudenz weitestgehend als rechtswidrig betrachtet werden und teilweise bereits von Gerichten aufgehoben oder eingeschränkt wurden.

„Der deutsche Automobilstandort ist in der Krise und kann kein Interesse daran haben, in aktuelle Handelskriege hineingezogen zu werden.“
Halten Sie solche Abschottungsmaßnahmen für Vorboten ähnlicher Regulierungen in Europa oder anderen Märkten, und wie könnten sich solche Maßnahmen auf die globale Automobilindustrie auswirken?
Die Verbote erscheinen in einem generellen Kontext von Protektionsmaßnahmen der USA, die auch seitens der Chinesen immer wahrscheinlicher werden. Auch die Europäische Union wird sich positionieren müssen, tut sich damit aber leider schwer. Wie sich die bislang einzigartigen Maßnahmen der USA auf die dortige Automobilindustrie auswirken werden, ist aktuell völlig unklar. Selbst amerikanische Industrievertreter melden Bedenken an, was Verbote bestimmter Technologien angeht und befürchten, dass die Zeit zu knapp ist, um sich umzuorientieren. China hingegen erscheint auf Grund seiner Robustheit im Markt trotz der Krisen weiter einen starken heimischen und Exportmarkt erhalten zu können. Der deutsche Automobilstandort ist in der Krise und kann kein Interesse daran haben, in aktuelle Handelskriege hineingezogen zu werden. Gleichzeitig kann er sich auf Grund der bereits erfolgen Zuspitzung internationaler Konflikte dem Willen der beteiligten Akteure kaum entziehen und rutscht damit tiefer in die Krise, ohne eine klare wirtschaftspolitische Agenda zu offenbaren.
Zur Person:
Daniel Wuhrmann ist Equity Partner und Head of Mobility bei der auf Produktrecht spezialisierten Wirtschaftskanzlei Reuschlaw. Als Experte mit umfassendem Branchen-Knowhow berät er vor allem Mandanten aus dem Automotive- bzw. Automobilzuliefererbereich. Wuhrmann, der an der Universität des Saarlandes Rechtswissenschaften studiert hat, hat zudem einen Lehrauftrag an der Technischen Hochschule Köln im Bereich Produkthaftung inne.