Hande Kurnaz und ihr Team sorgen dafür, dass der Informationsfluss im gesamten Auto schnell und zuverlässig läuft. Sie beschert als ASIC Lead im Bosch-Geschäftsbereich Mobility Electronics gewissermaßen Fahrzeugen ein gut verdrahtetes Nervensystem. Die Abkürzung ASIC steht für Application-Specific Integrated Circuit, also für eine anwendungsspezifische integrierte Schaltung, sprich: einen Mikrochip, der für eine bestimmte Aufgabe entworfen wird.
Was macht ein ASIC Lead?
Diese spezifische Anwendung wird von Automobilherstellern vorgegeben. „Als ASIC Lead bilde ich die Brücke zwischen unseren Kunden sowie unserem Entwicklungsteam und stelle sicher, dass das, was das Team entwickelt und technisch umsetzt, den Anforderungen sowie Bedürfnissen der Kunden entspricht“, erklärt Kurnaz, „Wir entwickeln kleine Systeme, die Großes leisten.“ Denn jede Funktion im Auto – vom Airbag bis zur Lenkung – verfügt über ein ASIC, um zu garantieren, dass Sensorinformationen korrekt empfangen und verarbeitet werden, sodass die erforderlichen elektromechanischen Reaktionen ausgelöst werden.
„Gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen entwickele ich Halbleiterlösungen für neue Antriebskonzepte, Fahrerassistenz-, Entertainment- und Sicherheitssysteme, das automatisierte Fahren, die smarte Fahrzeugvernetzung sowie das Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine“, umreißt Kurnaz das Aufgabenfeld, „Damit trage ich und mein Team zur Etablierung neuer Standards für kommende Fahrzeuggenerationen bei und leiste einen entscheidenden Beitrag für eine nachhaltige und sichere Mobilität.“
Warum der ASIC auch ein Übersetzer ist
An einem ASIC-Projekt sind viele verschiedene Domänen beteiligt, die sich gegenseitig verstehen und gut zusammenarbeiten müssen. Dazu gehören Kunde, Designteam, Layoutteam, die ESD- und EMC-Kräfte (zuständig für Hardware-Validierung und -Charakterisierung), Sicherheitsmanager, Testteam, Musterüberprüfungsteam, Qualitätsteam, Verpackungskollegen und Technologieverantwortliche. „Meine Aufgabe als ASIC Lead ist es sicherzustellen, dass die Kundenanforderungen an die spezifische Anwendung in konkrete Anforderungen an das ASIC-Design übersetzt werden, die von unserem Entwicklungsteam dann ausgearbeitet werden können“, erläutert die 42-Jährige.
Dafür sei neben einem umfassenden technischen Verständnis und einem Überblick über das gesamte Projekt auch viel Kommunikation nötig, um zu verstehen, was gebraucht wird und wie man die Anforderung am besten umsetzen kann. „Dabei bin ich manchmal auch ‚Vermittlerin‘ zwischen Kunden und Entwicklungsteams, da ich beide Sichtweisen einbringen kann: die der spezifischen Anforderung und die des perfekten Designs“, sagt Kurnaz. Darüber hinaus muss sie noch andere Rahmenbedingungen im Blick haben, die immer mal wieder Kompromisse erfordern. Kurnaz: „Als ASIC Lead bin ich daher an allen Entscheidungen der Entwicklung bis hin zur Industrialisierung beteiligt, die zum Beispiel Design, Testinfrastruktur, Technologieauswahl, Sicherheitsarbeitsprodukte, Pinbelegung bis hin zur Laboreinrichtung betreffen.“
Wie sieht der Berufsalltag des ASIC Lead aus?
Das A und O in diesem Job ist der Austausch und die Kundenkommunikation. „Nachdem ich verstanden habe, was der Kunde braucht und wie unser ASIC im Auto verwendet werden soll, geht es darum, diese Kundenwünsche zusammen mit dem Designteam in technische Anforderungen und konkrete Lösungen, die Architektur des ASIC, zu übersetzen.“ Bei der Entwicklung von Konzepten startet das Team zunächst ganz klassisch mit Papier und Stift. Erst dann kommen High-End-Rechenleistung und verschiedene Software-Tools zum Einsatz.
„Mit ihrer Hilfe stellen wir sicher, dass die Konzepte in einer Vielzahl von Einsatzbedingungen funktionieren, in denen unsere Chips verwendet werden“, betont Kurnaz. „Was die Aufgabe für mich so spannend macht, ist, dass ich als ASIC Lead den Gesamtüberblick über alle Abläufe im Entwicklungsprozess habe und weiß, wie die einzelnen Funktionen miteinander verknüpft sind.“
Diese Qualifikationen braucht es für ASIC
Voraussetzung ist ein abgeschlossenes Studium der Elektrotechnik oder der Physik. „Aus meiner Erfahrung zeichnet einen ASIC Lead aber vor allem aus, dass er ein Generalist ist, der neben einem profunden technischen Verständnis auch den Blick für das große Ganze mitbringt und sehr gute Kommunikationsfähigkeiten besitzt“, sagt Kurnaz, „Man muss das Kernkonzept in der Tiefe erfassen und gleichzeitig im Gesamtkontext betrachten.“ Wichtig sei auch, offen zu sein, immer wieder dazuzulernen, um gemeinsam im Team neue Ideen und gute Lösungen zu entwickeln. Kurnaz hält sich nicht nur technisch ständig auf dem neuesten Stand, seit vier Jahren lernt sie auch Chinesisch, um noch besser mit ihren chinesischen Kollegen zusammenarbeiten zu können.
Die Mutter eines achtjährigen Sohnes hat Mikroelektronik studiert und auf diesem Gebiet in Istanbul ihren Master gemacht. Danach hat sie vierzehn Jahre in der Entwicklung für verschiedene Unternehmen als Analog Design Engineer in Istanbul, im österreichischen Lustenau und Kirchheim unter Teck gearbeitet, bevor sie 2018 als ASIC Lead bei Bosch angefangen hat.
Ein Job mit Zukunft? „Ich kenne keinen anderen Job, der den ASIC-Flow, also den Entwicklungsablauf für einen ASIC, über die gesamte Zeitschiene von der Kundenanforderung bis zur Industrialisierung ganzheitlich betrachtet“, unterstreicht Kurnaz, „Diese Aufgabe wird immer wichtiger, da die Projekte zunehmend größer und komplexer und die Entwicklungsteams spezialisierter und internationaler werden.“ Innerhalb eines ASIC-Projekts brauche es einen ASIC Lead, der das technische Verständnis mitbringt und den Überblick über das Gesamtprojekt behält: „Das ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor, um die unterschiedlichen Domänen inhaltlich zusammenzuhalten.“ Man wird auf Kräfte wie Kurnaz auch künftig nicht verzichten können.
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