Trotz weniger offener Stellen

Warum sich der Mangel an IT-Fachkräften weiter verschärft

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Trotz leichtem Rückgang fehlen weiter zehntausende IT-Fachkräfte – KI und Digitalisierung treiben den Bedarf nach qualifiziertem Personal.

Der IT-Fachkräftemangel bleibt eine große Herausforderung, denn trotz eines Rückgangs auf 109.000 unbesetzte Stellen fehlt qualifiziertes Personal. Neue Technologien wie KI schaffen zusätzlichen Bedarf und erfordern gezielte Weiterbildung.

Der Fachkräftemangel in der IT bleibt ein drängendes Thema für CIOs und IT-Verantwortliche der Automobilindustrie. Trotz leichtem Rückgang der unbesetzten Stellen mahnt der Digitalverband Bitkom zur Vorsicht. Zwar sei die Zahl offener IT-Stellen 2025 auf 109.000 gesunken, doch von einer echten Entspannung können keine Rede sein. Im Gegenteil, viele Unternehmen berichten weiterhin von monatelangen Vakanzen und einem zunehmend komplexen Recruiting. Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst machte bei der Vorstellung der neuen Zahlen deutlich, dass sich der Mangel strukturell verfestigt. Die wirtschaftliche Lage spielt zwar eine Rolle, löst das Grundproblem aber nicht. „Der IT-Fachkräftemangel wird sich weiter verschärfen“, so Wintergerst. Auch Projekte im Bereich Software-Defined Vehicle, E/E-Architektur oder agile Fahrzeugentwicklung könnten dadurch ins Stocken geraten.

Die Reduktion von 149.000 auf 109.000 unbesetzte Stellen im Vergleich zum Vorjahr mag auf den ersten Blick überraschen. Bitkom-Präsident Wintergerst führt dies auf mehrere Faktoren zurück. Vor allem die schwache wirtschaftliche Entwicklung und die damit verbundenen Verzögerungen bei Digitalisierungsprojekten hätten dazu beigetragen. „In den Coronajahren hatten wir zusätzliche Einstellungsprobleme. Dadurch ist die Zahl in den Jahren 2022 und 2023 auf ein Rekordhoch geschossen. Jetzt sehen wir eine Beruhigung – auch weil Projekte pausieren oder verzögert umgesetzt werden.“

Gehalt und Qualifikation bremsen den Arbeitsmarkt aus

Das größte Hindernis bei der Besetzung offener Stellen bleibe die Passung zwischen Qualifikation und Vergütung. 63 Prozent der Unternehmen geben an, dass Gehaltsvorstellungen der Bewerber nicht zu den jeweiligen Qualifikationen passen. 56 Prozent nennen das eigene Gehaltsgefüge als limitierenden Faktor. Hinzu kommen Defizite bei Soft Skills, Deutschkenntnissen und fachlicher Qualifikation. Auch mangelnde Umzugsbereitschaft oder überzogene Erwartungen an mobiles Arbeiten sorgen für zusätzliche Hürden. In der Automobilindustrie spitzt sich die Lage zusätzlich zu. Gefragt sind hochspezialisierte Profile mit Knowhow in Autosar, modellbasierter Entwicklung, Safety-relevanter Software oder Cybersecurity. Die Rekrutierung solcher Fachkräfte werde zunehmend zur strategischen Aufgabe.

Ein Lichtblick sei der wachsende Anteil erfolgreicher Quereinsteiger. Laut Bitkom verfügen 27 Prozent der neu eingestellten IT-Fachkräfte über einen Quereinstiegshintergrund - genauso viele wie über ein IT-nahes Hochschulstudium. Besonders häufig bringen Quereinsteiger praktische Vorerfahrung, berufsbegleitende Weiterbildungen oder autodidaktisch erlernte IT-Kenntnisse mit. Für die Automobilindustrie könnte sich hier ein wertvolles Rekrutierungsfeld, etwa für MES-Systeme, Instandhaltungs-IT oder Produktionsdigitalisierung eröffnen.

Titel: „Es fehlen weiterhin über 100.000 IT-Fachkräfte“ Untertitel (blau): „Anzahl zu besetzender IT-Stellen in der Gesamtwirtschaft“ Dargestellt ist ein Säulendiagramm, das die Entwicklung der offenen IT-Stellen in der deutschen Gesamtwirtschaft von 2009 bis 2025 zeigt. Die Werte stammen von Bitkom Research 2025, basierend auf Unternehmen mit mindestens drei Beschäftigten. Für das Jahr 2024 wurde keine Zahl erhoben. Die Balken wachsen insgesamt stark über die Jahre, mit einem deutlichen Anstieg ab 2017. Die Werte in einzelnen Jahren: 2009: 20.000 2010: 28.000 2011: 38.000 2012: 43.000 2013: 39.000 2014: 41.000 2015: 43.000 2016: 51.000 2017: 55.000 2018: 82.000 2019: 124.000 2020: 86.000 2021: 96.000 2022: 137.000 2023: 149.000 2024: kein Wert (Grafik zeigt nur ein kleines Symbol für Datenausfall) 2025: 109.000 Die höchste Zahl an offenen IT-Stellen wurde 2023 mit 149.000 erreicht. Danach folgt ein Rückgang auf 109.000 im Jahr 2025 – dennoch liegt die Zahl weiterhin deutlich über der 100.000er-Marke. Am rechten Rand der Grafik ist eine stilisierte, blaue Linienzeichnung einer Person an einem Laptop zu sehen – symbolisch für IT-Fachkräfte.
Der Fachkräftemangel im IT-Bereich wird sich laut Bitkom weiter verschärfen.

Künstliche Intelligenz schafft neue Rollen

Der Einfluss von KI auf den Arbeitsmarkt wächst. Während ein Drittel der Unternehmen erwartet, dass bestimmte Tätigkeiten durch KI ersetzt werden, prognostizieren 42 Prozent einen zusätzlichen Bedarf an IT-Fachkräften. KI muss eingeführt, trainiert, überwacht und angepasst werden. Neue Rollen entstehen im Bereich Prompt Engineering, MLOps oder Responsible AI. Ein Viertel der Unternehmen rechnet damit, dass IT-Fachkräfte ohne KI-Knowhow mittelfristig nicht mehr gebraucht werden. Für CIOs bedeutet das: Weiterbildung wird zur Pflicht, nicht nur für neue Kräfte, sondern auch für bestehende Teams. KI verändert nicht nur die Produkte, sondern auch die Arbeitsweise in der IT selbst.

Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, setzen viele Unternehmen auf Weiterbildung und Quereinsteigerprogramme. Der vermehrte Einsatz älterer Beschäftigter, gezielte Förderung von Frauen und Diversitätsstrategien ergänzen das Maßnahmenpaket. Nur jedes zwölfte Unternehmen nennt aktuell den verstärkten Einsatz von KI als aktive Gegenmaßnahme. Auch politische Unterstützung ist gefragt. Die größte Zustimmung erhalten Forderungen nach einer wöchentlichen statt täglichen Höchstarbeitszeit, nach einer aktiveren Fachkräfteeinwanderung und nach Modellen wie der Aktiv-Rente, mit denen erfahrene IT-Kräfte länger im Berufsleben gehalten werden sollen.