Visualization of the interaction of self-driving autonomous vehi

Das neue Mobilitätsdatengesetz soll intermodales Reisen vereinfachen. Mobilitätsservice-Provider lehnen das ab. (Bild: Adobe Stock / AlinStock)

Mobility Circle 2024

Mobility Circle 2024

Anhand des diesjährigen Mobility Services Report erläutert Stefan Bratzel am 06.11. auf dem Mobility Circle in München die wichtigsten Entwicklungen der Mobilität.
„Elektrisch, autonom, multimodal, kooperativ“ sind die zentralen Stichworte für technologische und soziale Innovationen zur Gewährleistung einer nachhaltigen Mobilität in sektorübergreifenden Ökosystemen. Mike Reichelt (BMW), Roland Villinger (Škoda) und Christian Dahlheim (VW Financial Services) u. v. m. führen die spannenden Diskussionen der vergangenen Jahre weiter.

 

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Läuft alles nach Plan, dann wird Deutschland spätestens Anfang 2025 ein Mobilitätsdatengesetz haben. Es regelt, welche Daten allgemein verfügbar sein müssen, damit endlich das Reisen mit Öffentlichem Nahverkehr, Taxi und Carsharing nahtlos planbar wird. „Das Gesetz ist ein Meilenstein, weil es die Grundlage dafür schafft, dass es eine einheitliche, zusammenhängende digitale Datengrundlage für die intermodale Fahrtplanung gibt“, sagt Philipp Grosche, Partner bei der Strategieberatung Roland Berger. Er berät Mobilitätsanbieter aller Art.

Mobilithek als Datendrehscheibe

Die Daten sollen über die bereits existierende Mobilithek zur Verfügung gestellt werden. Sie ist der Nationale Zugangspunkt für Mobilitätsdaten und setzt Anforderungen aus den Verordnungen zur EU-Richtlinie über Intelligente Verkehrssysteme (IVS) sowie zum novellierten Personenbeförderungsgesetz um. Anfang Oktober 2024 hatte das Bundeskabinett das Mobilitätsdatengesetz verabschiedet. Das Kabinett kommt damit einer Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag nach. Vorbehaltlich der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat sollen wesentliche Bestimmungen des Gesetzes zum 1. Januar 2026 in Kraft treten.

Die fünf Kernmaßnahmen des Mobilitätsdatengesetzes

  1. Es gewährleistet die Bereitstellung hochwertiger statischer und dynamischer Mobilitätsdaten.
  2. Eine Koordinierungsstelle für Mobilitätsdaten wird als zentrale Anlaufstelle für technische und fachliche Unterstützung eingerichtet. Angesiedelt wird sie bei der Bundesanstalt für Straßenwesen sein.
  3. Das Gesetz schafft einen einheitlichen Rahmen für Datenbereitstellungspflichten und bestimmt eine unabhängige Durchsetzungsbehörde. Sie wird beim Bundesamt für Logistik und Mobilität angesiedelt sein.
  4. Durch den freien Zugang zu den Mobilitätsdaten werden neue Geschäftsmodelle und Dienstleistungen im Mobilitätssektor möglich.
  5. Umfassende Daten ermöglichen eine bessere Planung und Umsetzung umweltfreundlicher Mobilitätslösungen.

Datenbereitstellung bedeutet Aufwand für Unternehmen

„Den Aufwand für die Unternehmen, die gesetzlich vorgeschrieben Daten dynamisch zur Verfügung zu stellen, sollte man nicht unterschätzen“, warnt Grosche, „denn bei manchem Etablierten ist die IT-Landschaft veraltet.“

Eine Sprecherin des Verbands der Automobilindustrie (VDA) weist darauf hin, dass die Automobilindustrie von dem neuen Gesetz kurzfristig nur in Teilen betroffen ist, während direkte Auswirkungen vor allem Mobilitätsdienstleister wie Ridepooling-Anbieter treffen. „Allerdings konsolidiert das Gesetz zu einem erheblichen Teil, was bereits zuvor auf Basis der europäischen IVS-Richtlinie festgelegt worden war. Grundlegende Veränderungen gehen damit für die Automobilindustrie nicht einher.“ Der VDA begrüße, dass „Fahrzeugdaten im Mobilitätsdatengesetz nicht berücksichtigt sind – weil dies sonst einen erheblichen Eingriff in die Datensouveränität der Kunden und Unternehmen bedeutet hätte.“ Zumal eine nationale Regelung im europäischen Binnenmarkt „kaum sinnvoll“ gewesen wäre. Für In-Car-Daten ändert sich also nichts.

Carsharer sind unzufrieden mit Mobilitätsdatengesetz

Kritisch äußert sich der Bundesverband Carsharing (BCS), in dem vor allem lokale und regionale Anbieter von Mobilitätsdienstleistungen organisiert sind. Der BCS bezeichnete Gesetz anlässlich der Verabschiedung durch das Bundeskabinett als einen „tiefen und schädlichen Eingriff in den Mobilitätsmarkt“. Die Kritik des Verbands bezieht sich vor allem auf die Open-Data-Pflicht: „Wenn die Verfügbarkeitsdaten von Carsharing-Fahrzeugen für jedermann und jede Nutzung zugänglich gemacht werden, dann führt dies zu gefährlichen Verwerfungen im deutschen Carsharing-Markt“, so der Verband in seiner Stellungnahme.

Die betreffenden Daten sollten zwar für die behördliche Aufgabenerfüllung und für Abfragen von multimodalen digitalen Auskunftssystemen zur Verfügung stehen, „andere Nutzungen“ sollten jedoch „einzeln von den Dateninhabern autorisiert werden können“. Eine solche Regelung stehe auch in Einklang mit EU-Recht. Die Befürchtung des BCS ist, dass ansonsten Anbieter „aus aller Welt“, aus solchen Auslastungsdaten nachfragestarke Standorte auf dem Tablett präsentiert bekämen und so den Wettbewerbsvorteil etablierter Anbieter mit relativ geringem Aufwand zunichtemachen könnten.

VDA fordert Nachbesserungen

Der VDA schlägt in einer Stellungnahme vom Mai 2024 eine Prüfung vor, ob „für bestimmte Datenkategorien zumindest die Registrierung der Datennutzer – verbunden mit entsprechenden Qualitätsanforderungen – als Voraussetzung für einen Datenzugriff geboten wäre“. Gerade mit Blick „auf die Erfordernisse des Datenschutzes und des Schutzes betrieblich sensibler Daten.“ Zu bedenken gibt der Verband auch, dass die EU-Vorschriften derzeit keine Pflicht zur Erhebung bestimmter Datensätze im Unternehmen vorsehen, sondern nur die Bereitstellung verfügbarer Daten regeln. Diese Datenbereitstellungspflichten würden damit implizit innovative Unternehmen 'bestrafen', die bereits jetzt große Mengen an Daten erheben. Dies erzeuge „im Grunde keine Anreize für digitale Innovationen im Mobilitätsbereich“. Zumal aufgrund des Gesetzes Zwangs- und Bußgelder möglich seien.

Die europäische Automobilindustrie wird zunächst nur wenig unmittelbaren Nutzen aus den Bestimmungen des neuen Gesetzes ziehen können – hat sie doch ihr Engagement gerade im Feld der neuen Mobilitätsdienstleistungen in den vergangenen zwei Jahren deutlich reduziert. Derzeit brennt das Haus eben bei vielen Unternehmen an ganz anderen Stellen. Trotzdem sieht Berater Grosche perspektivisch auch für die Automobilindustrie Potenzial in dem neuen Gesetz: „Mit dem autonomen Fahren bekommen intermodale Lösungen eine neue Komponente. Ganz abgesehen davon, dass Mobilitätsdaten natürlich in die Navigationssysteme und vernetzten Services der Fahrzeuge integrierbar sind.“ Vielleicht kommt die viel diskutierte Super-Mobilitäts-App eines Tages ja doch aus der derzeit so stark mit sich selbst beschäftigten Branche.

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