Pirelli Reifen Porsche

Pirelli setzt bei der Entwicklung von Reifen zunehmend auf digitale Tools. (Bild: Pirelli)

Wenn am Wochenende die Formel-1-Boliden über die Rennstrecken dieser Welt donnern und am Sonntagnachmittag der Sieger den Pokal in den Himmel reckt, feiert Pirelli im geheimen seit Jahren mit. Der Reifenhersteller aus Mailand stattet seit Jahren viele Rennserien rund um den Erdball mit hochleistungsfähigen Rennpneus aus. Doch hierbei geht es längst weniger um schiere Entwicklungskompetenz, sondern mehr denn je um perfektes Marketing und die Positionierung als Hightech-Firma mit Siegergenen, die über Bildschirme und Kleindisplays flimmert.

Unverändert profitieren auch die Reifen von Serienautos von jenen Entwicklungen, die für die Hochleistungspneus der Topliga gemacht werden. Doch die Reifenindustrie ist wie viele in der Autobranche in einem geradezu wilden Wandel – das  hat nicht allein mit stetig steigenden Öko-Vorgaben zu tun, sondern auch immer kürzeren Produktzyklen und Reifen, die neue Qualitäten bieten müssen. Gerade die deutlich schwereren Elektrofahrzeuge haben andere Erfordernisse als die meisten Verbrennermodelle. 

Was sich Pirelli von digitalisierter Entwicklung verspricht

Damit sich ein Reifenhersteller wie Pirelli in der ersten Liga halten kann und entsprechende Premiumansprüche seiner höchst unterschiedlichen Kunden erfüllen kann, kommt einer möglichst effizienten Entwicklung eine immer größer werdende Bedeutung zu. Dafür investiert der norditalienische Hersteller massiv in Bereiche wie Digitalisierung und künstliche Intelligenz. Rund 5,5 Prozent seiner Einnahmen aus dem Verkauf des schwarzen Gummimaterials steckt Pirelli aktuell in die Bereiche Forschung und Entwicklung, einen Großteil in den Bereich Digitalisierung.  

„Elektroautos unterscheiden sich stark von herkömmlichen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor und erfordern daher spezielle Reifen. Die Anzahl der Homologationen, die wir von großen Herstellern erhalten haben, bestätigt die Richtigkeit unseres Weges, der darin besteht, Technologien anzubieten, die an Fahrzeuge, Reifen und Jahreszeiten angepasst werden können“, erläutert Piero Misani, Chief Technical Officer von Pirelli, „modernste Entwicklungswerkzeuge wie Virtualisierung und künstliche Intelligenz ermöglichen es uns, Produkte zu entwickeln, die den technischen und leistungsbezogenen Anforderungen von Elektrofahrzeugen immer besser entsprechen.“

OEMs mit neuen Reifen-Anforderungen für E-Autos 

Dabei sind nicht allein die gesetzlichen Vorgaben und die Endkunden, die die Reifenentwicklungen beeinflussen. Nicht kleiner ist jener Druck, der durch die Autohersteller entsteht, denn lange bevor ein neues Auto auf die Straße und somit zum Endkunden rollt, legt der OEM seinen Kriterienkatalog fest und beeinflusst damit die Entwicklungen der Reifen maßgeblich. So war Pirelli elementar in die Entwicklung des ebenso schweren wie leistungsstarken Elektromodells Porsche Taycan eingebunden. Große Bereiche der Entwicklungen fanden hierbei rein virtuell statt, bevor es mit den Rädern ins Labor und hinterher auf die Straße ging. Eingeführt wurde die sogenannte Elect-Technologie von Pirelli in der ersten Generation des P Zero für den rein elektrischen Taycan, der andere Erfordernisse hatte als beispielsweise der Panamera als Verbrenner. Nicht unüblich in der Autoindustrie: danach wurde die validierte Technik in andere Produktfamilien integriert. 

Dank ihres geringen Rollwiderstands können Reifen mit Elect-Technologie eine zusätzliche Reichweite von bis zu 50 Kilometern pro Batterieladung ermöglichen. Darüber hinaus bieten die Reifen dank innovativer Mischungen mehr Grip, um das hohe Drehmoment von Elektromotoren zu bewältigen und verstärkte Strukturen, um das erhöhte Gewicht von E-Autos zu jonglieren. Beides sorgt dafür, den Reifenverschleiß um bis zu 20 Prozent zu reduzieren. Die Elect-Technologie bietet außerdem einen um bis zu 20 Prozent höheren akustischen Komfort im Innenraum des Fahrzeugs und verstärkt das Gefühl der Stille, das durch den Verzicht auf einen Verbrenner entsteht. 

 Digitale Reifenentwicklung verbessert CO2-Fußabdruck 

Doch es sind nicht allein die Fahrleistungen und das Verhalten beim Bremsen, Regen und in schnell gefahrenen Kurven, die direkten Einfluss auf die Entwicklungen haben. Viele Hersteller machen klare Vorgaben in Sachen Nachhaltigkeit. Besonders eng ist zum Beispiel die Zusammenarbeit von Pirelli mit den Marken der BMW Group, wobei besonders großer Wert auf Nachhaltigkeit und einen möglichst geringen CO2-Abdruck gelegt wird. Hierzu wurden jüngst mit künstlicher Intelligenz und maximaler Digitalisierung Öko-Reifen entwickelt, die ab diesem Sommer im BMW 7er verfügbar sind.

Immer wichtiger wird das Thema Nachhaltigkeit auch für Winter- und Ganzjahresreifen. Pirelli Elect ist auch bei einem wachsenden Anteil von Winterreifen (22 Prozent) sowie Ganzjahresreifen (17 Prozent) erhältlich und bietet nicht zuletzt dank künstlicher Intelligenz und nennenswerten Anteilen virtueller Entwicklung entsprechende Vorteile bei Geräuschreduzierung und Rollwiderstand. Im Vergleich zu Sommerreifen beeinträchtigen Winterreifen die Reichweite des Fahrzeugs durch einen höheren Rollwiderstand, da Mischung und Profil darauf ausgelegt sind, ausreichend Grip auf verschneitem und nasskaltem Asphalt zu bieten. 

Eine neue 20-Zoll-Entwicklung von Pirelli und BMW ermöglicht durch virtuelle Entwicklungsprozesse, Materialauswahl und ein entsprechendes Profil bei einem elektrischen BMW i7 eine um bis zu 50 Kilometer größere Reichweite im Vergleich zu einem Standard-Winterreifen. Die technologischen Fortschritte des Pirelli P Zero Winter 2 haben ihre Ursache insbesondere an entsprechende Fortschritte in den Bereichen Profildesign und Laufflächenmischung – möglich gemacht nicht zuletzt durch künstliche Intelligenz.

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