
Neun Beamer projizieren das Bild auf die gebogene Leinwand im Zero Prototype Lab (Bild: Edag Group)
Billiard, Darts, Tischfußball – alles schön und gut. Zugegeben sind das wohl eher die Dinge, die einem in den Sinn kommen, wenn man an lustige Freizeitspiele denkt. Doch wenn man ehrlich ist, gibt es ein Spiel, oder eher einen Tisch, der in aller Regel für die meiste Aufregung zwischen den beiden Spielenden sorgt. Beim Air Hockey herrscht Anarchie und wildes Gekloppe. Der Spaßfaktor ist enorm. Nach demselben Prinzip funktioniert der Simulator, den Edag seit kurzer Zeit in Wolfsburg betreibt. Der sogenannte DiM500 Full Spectrum Simulator (DiM500 FSS) sei der größte und leistungsfähigste kabelgesteuerte Simulator für Entwicklung, Racing und Forschung mit Fokus auf Fahrdynamik, Fahrzeugbewegung und Fahrerinteraktion. Mit ihm können Fahrdynamikmanöver mit einem 1:1 Motion Cueing abgebildet werden. Das bedeutet, dass der Fahrer direkte Bewegungssignale bekommt, in die virtuelle Umgebung eintaucht und ein realistisches Fahrgefühl erleben kann.
Nur, wer einmal selbst in dieser Karbonbüchse gesessen hat, gemerkt hat, was das Gerät mit einem selbst und seinem Körper macht, kann die Vorteile des Simulators wirklich nachempfinden. Das Zero Prototype Lab wird ergänzt durch einen Compact Full Spectrum Simulator sowie die Hardware-in-the-Loop-Plattform AutoHawk. „Als der Bau abgeschlossen war, war das ein unglaubliches Gefühl. Wir haben hier viel Schweiß und Herzblut reingesteckt”, sagt Jan Kasten, Abteilungsleiter Fahrzeugdynmaik und Chassis bei Edag. Kasten steht in einem Raum, der fußballbegeisterte Menschen an den berühmten Kölner Keller, in dem die Videoschiedsrichter sitzen, erinnert. Von hier aus wird der große Simulator überwacht. 14 Hochleistungsrechner und neun Beamer sorgen dafür, dass es keinerlei Latenzen zwischen der Lenkbewegung und dem Bild auf der zu drei Viertel geschlossenen, riesigen Leinwand gibt.

Diese Vorteile verspricht Edag
Das Zero Prototype Lab ist laut Edag ein in Europa einzigartiges Fahrdynamiksimulationszentrum. Die drei Testplattformen dienen der Forschung und Entwicklung in den Bereichen Hardware, Software und Human Machine Interface (HMI). Das Wolfsburger Simulationszentrum stehe allen Marktteilnehmern weltweit offen und ermögliche, neue Fahrzeuge zunächst virtuell zu fahren und subjektiv zu erleben. Dabei können Funktionen wie beispielsweise autonomes Fahren in Verbindung mit der Fahrsystemfunktion, dem Lenken, Bremsen und Beschleunigen getestet werden. Dies soll den Bau von kostenintensiven Prototypen reduzieren und die Entwicklungszyklen verkürzen.
Jan Kasten und sein Team können die virtuelle Welt auf verschiedenen Prüfgeländen und Rennstrecken programmieren. Dadurch können OEMs unter kontrollierten Umweltbedingungen saisonunabhängig fahrdynamische Optimierungen vornehmen. Insgesamt lasse sich so der Material- und Ressourcen-Einsatz verringern und der CO2-Fußabdruck des Entwicklungsprozesses reduzieren.
Uses Cases für OEMs und Rennställe
Ob Lenkgefühl, Grenzverhalten oder das Fahrwerk: In Zeiten von aktiver Fahrsicherheit und autonomen Fahrzeugen sind die grundlegenden Fahrzeugeigenschaften noch herausfordernder zu testen. Das betrifft nicht nur Prototypen von Großserien, auch im Motorsport ist der Fahrzeugsimulator ein echter Zugewinn. Für Rennteams sind unzählige Setup-Varianten und spezifische Anpassungen für Fahrer sowie Rennstrecken unumgänglich. Am Fahrsimulator können in kürzester Zeit eine Vielzahl von Setups auf diversen Rennstrecken zur jeweiligen Performance-Erhöhung erarbeitet werden.
Innerhalb des Zero Prototype Lab lassen sich sämtliche Rennstrecken abbilden und die Fahrer dürfen sich bereits vor Saisonstart mit den Strecken vertraut machen. Dabei lassen sich einzelne Abfolgen und Parameter so lange optimieren, bis die gewünschte Rundenzeit und das entsprechende Fahrgefühl erreicht wird. In einer Simulation lässt sich immer wieder das gleiche Testszenario mit den gewünschten Rahmenbedingungen durchspielen – beispielsweise Straßenbelag, Reifenmaterial oder Witterung. Die Windstärke wird hier punktgenau auf die geforderte Intensität eingestellt, ebenso wie sich eine Schneelandschaft simulieren lässt. Testfahrten für beide Anwendungsfälle sind also nicht mehr auf bestimmte Jahreszeiten angewiesen.