Innerstädtische Kreuzung mit Verkehr in Seoul / So verändern smarte Technologien die Verkehrssteuerung

Vor allem in Großstädten spielt die intelligente Steuerung von Verkehrsströmen eine immer größere Rolle. (Bild: Adobe Stock / eyetronic)

Um aktuelle Verkehrsströme zu erkennen, zu analysieren und sinnvoll zu steuern, sind immense Kapazitäten zur Datenerfassung und -verarbeitung notwendig. Oft ist in diesem Zusammenhang die Rede von einer Echtzeitsteuerung des Verkehrs, in der Realität setzen Unternehmen jedoch auf möglichst exakte Prognosesysteme, die sich durch unverhoffte Störfaktoren wie etwa Unfälle aus der Bahn werfen lassen.

Um die eigenen Modelle treffsicherer auf die reale Straßenlage zuzuschneiden, prüfen Unternehmen zunehmend den Einsatz fortschrittlicher Technologien wie künstlicher Intelligenz oder Quantencomputing. Beim Karlsruher Spezialisten für Verkehrssteuerung PTV soll etwa KI zum Einsatz kommen, „um die geografische Verteilung der Verkehrsnachfrage zu erkennen und rekonstruieren, oder um das Verkehrsmittel über GPS-Daten oder Trajektorien zu erkennen“, berichtet CEO Christian U. Haas.

Standortdaten allein reichen nicht aus

Übliche standortbezogene Daten, wie sie etwa Handys oder Navigationsgeräte liefern, informieren zwar über die Bewegungen ihrer Nutzer, über die Wahl des Verkehrsmittels hierfür liefern sie jedoch in der Regel wenig Informationen. Für Unternehmen wie die PTV Group ist jedoch gerade diese Information wichtig für die eigenen Modelle. Um das Mobilitätsverhalten mit besseren Datensätzen darstellen zu können, benutzen die IT-Entwickler KI-Klassifizierungsmethoden.

In der Summe führt die Auswertung großer Datensätze auf Basis von Machine-Learning-Algorithmen nicht nur zu schnelleren Berechnungen, sondern auch kontinuierlich zu qualitativ besseren Abläufen. PTV etwa nutzt die Algorithmen zur Prognose und um die Genauigkeit des jeweiligen Verkehrsmodells zu verbessern. „Unsere Software Optima ermöglicht detaillierte Prognosen bis zu einer Stunde im Voraus“, verspricht CEO Haas. Statt die Verkehrsstärke statisch zu prognostizieren, kann das ML-System das historische Verkehrsmuster analysieren und mit aktuellen Verkehrsbedingungen abgleichen.

Kamerabilder erlauben Analyse der Verkehrssituation

Um genauere Einblicke in das Entstehen einer bestimmten Verkehrssituation zu gewinnen, könnten zudem Computer-Vision-Systeme auf Basis von Kamerabildern zum Einsatz kommen. Die Technologie wird unter anderem am Nürburgring genutzt, dessen 21 Kilometer lange Nordschleife bis 2025 mit 150 Kameras ausgestattet werden soll. In diesem prototypischen Anwendungsfall liegt das Augenmerk auf Sicherheit – ein digitales Sicherheitssystem wird Gefahren, Unfälle oder sonstige außerplanmäßige Ereignisse auf der Strecke erkennen, damit umgehend eingegriffen werden kann. Die Technologie könnte in Zukunft auch in Städten zum Einsatz kommen, um etwa gefährliche Kreuzungen zu beobachten. Flächendeckend wird es dann interessant, wenn die intelligente Mustererkennung gelingt.

Quantencomputer können Verkehr in Echtzeit steuern

Wie also lässt sich der Verkehr effizienter und somit sicherer und CO2-ärmer lenken? „Beim Steuern im automatisierten Verkehrsgeschehen hilft der von uns entwickelte Digital Annealer“, sagt Sascha Westermann, Thought Leader Transport & Mobility in der Digital Transformation Unit (DXU) bei Fujitsu. Beim Digital Annealer handelt es sich um eine von Fujitsu entwickelte Technologie, die Systeme des Quantencomputing nachbildet.

Was ist der Digital Annealer?

Digital Annealing ist eine Vorstufe des Quantencomputing. Ab etwa 2025 werden vermutlich Quantencomputer mit einer Rechenleistung von 4.000 Qubits verfügbar sein, die komplexe Parallelberechnungen in nahezu Echtzeit durchführen können.  Die Digital-Annealing-Technologie basiert zwar auf herkömmlichen siliziumbasierten Chips, ahmt jedoch auf Basis einer speziellen Hardwarestruktur Quantencomputing-Effekte nach. Vorteile bietet die Technologie laut Fujitsu “überall dort, wo Berechnungen mit einer Vielzahl von Variablen beziehungsweise Möglichkeiten anfallen”. In entsprechenden Vergleichstests sei der Digital Annealer “rund zehntausendmal schneller als sein klassischer Server” in der Lage gewesen, entsprechende Aufgaben zu lösen.

Vor allem im Hinblick auf die Verarbeitung großer Datenmengen und entsprechende kombinatorische Optimierungsprobleme erhofft sich das IT-Unternehmen viel von der Technologie. „Für drei, vier oder mehr Ampeln braucht es keinen Digital Annealer“, sagt Westermann. Sobald es allerdings um die Steuerung von großen Verkehrsmengen in Echtzeit gehe, führe kaum ein Weg an entsprechenden Technologien vorbei. Möglich werde die Steuerung des Verkehrs vor allem durch anonymisierte Floating Car Data aus verschiedenen Navigationssystemen. In diesen Daten lassen sich Muster erkennen und zur Verbesserung des Verkehrsflusses nutzen – entweder in Form optimierter Echtzeit-Navigationsempfehlungen oder durch die smarte Steuerung von Ampeln.

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