Der Tender Assistant soll die Erstellung von Ausschreibungen beschleunigen und deren Qualität erhöhen.

Der Tender Assistant soll die Erstellung von Ausschreibungen beschleunigen und deren Qualität erhöhen. (Bild: BMW / Unsplash, Illustration: Andreas Croonenbroeck)

Schlichtes Googeln der beiden Schlagworte BMW und KI führt Nutzer im Netz primär zu Themen aus der Produktion. Klar, Fehlererkennung durch KI beispielsweise war auch vor dem Hype rund um das Megathema der letzten Jahre schon Alltag in den Werken vieler OEMs. Doch weitet man den Blick entlang der Wertschöpfungskette, so ergeben sich in vielen Bereichen bereits heute diverse Einsatzmöglichkeiten. So profitiert aktuell unter anderem der Einkauf bei BMW von KI-Anwendungen. „Im Juli letzten Jahres haben wir im Einkauf zusammen mit unserer IT mit einem Ideenfindungsprozess begonnen. Wir zeigten den Fachbereichen die Technologie und führten Demos vor, um Anwendungsfälle zu identifizieren“, sagt Maik Leuthold, Manager Generative KI im BMW-Einkauf.

KI-Anwendungen sollen der breiten Masse helfen

Dank der Popularität von ChatGPT kamen direkt viele Ideen auf, was eine Herausforderung darstellte. Nachdem die Ideen nach Relevanz und Machbarkeit gefiltert wurden, gingen zunächst zwei Use Cases in die Umsetzung. So zielt der sogenannte Tender Assistant darauf ab, die Erstellung von Ausschreibungen zu beschleunigen und deren Qualität zu erhöhen. Der Offer Analyst hingegen dient dazu, Angebote von Zulieferern effektiv zu vergleichen und auszuwerten. Die Auswahl stützt sich nicht nur auf die Wirtschaftlichkeit, sondern auch darauf, wie viele Mitarbeiter bei BMW profitieren und wie zügig die Umsetzung erfolgen kann. „Die Idee war, alltägliche Use Cases zu wählen, die oft genutzt werden, um die Technologie in den Köpfen der Mitarbeiter zu verankern und einen maximalen Nutzen zu erreichen.“

BMW will KI-Kompetenzen für alle Mitarbeiter

Es dauerte keine drei Monate, bis die zwei Use Cases den Status eines Minimum Viable Product (MVP) erreicht hatten. Seit weiteren drei Monaten sind sie nun in der breiten Nutzung mit rund tausend Nutzern. „Wir bauen nun die nächste Welle an Use Cases, um das Thema generative KI zu skalieren. Parallel dazu bieten wir eine Plattform für generative KI an, auf der Fachbereiche wie beispielsweise der Einkauf Apps im Selfservice bauen können, die anschließend jeder bei BMW nutzen kann“, erklärt Tobias Altenbuchner, Tech Lead KI Anwendungsfälle im Einkauf bei der BMW Group IT. „Unser Ziel ist es, dass jeder Mitarbeitende bei BMW sicher im Umgang mit der Technologie wird.“

Vor Einführung des Tender Assistant mussten die Mitarbeiter alle Informationen manuell zusammenstellen, was oft zeitaufwendig und fehleranfällig war. Nun aktivieren die Nutzer den Tender Assistant als Word-Add-On und die KI-Anwendung führt sie durch den Erstellungsprozess und fügt automatisch Inhalte aus Best Practices und früheren Ausschreibungen ein. Zunächst wird das gewünschte Template mithilfe eines KI-Vorschlags ausgewählt. Anschließend führt der Assistent den Nutzer Schritt für Schritt durch das Dokument, wobei er projektbezogene Abschnitte automatisch ausfüllt. Dennoch können die Mitarbeiter jederzeit manuell eingreifen, Änderungen vornehmen und das Dokument optimieren. „Seitdem der Tender Assistant im April live gegangen ist, erhalten wir kontinuierlich Feedback und verbessern das System weiter“, sagt Leuthold. Doch bei aller Automatisierung: Am Ende führt immer ein Mensch den finalen Check durch, um sicherzustellen, dass keine fehlerhaften Informationen herausgehen.

KI sorgt für 75 Prozent Zeitersparnis

Beim zweiten Use Case, dem Offer Analyst, geht es, wie der Name schon sagt, um eine Anwendung, die die Angebote analysiert. Die Nutzer laden die Angebote sowie die Ausschreibungsunterlagen in die Applikation. Anschließend können die Bewertungskriterien, nach denen die Angebote geprüft werden sollen, individuell definiert oder aus einem Standardset ausgewählt werden. Nun kommt die KI ins Spiel: Der Offer Analyst untersucht die Dokumente und gibt eine strukturierte Analyse aus, die als Grundlage für die Entscheidungsfindung dient. Man kann im Dokument auch chatten und Detailfragen stellen. Besonders beeindruckend seien die Ergebnisse der Angebotsanalyse, die 100-seitige Dokumente in wenigen Sekunden zusammenfasst, erklärt Altenbuchner.  

Der Tender Assistant ermöglicht es, bei einem Ausschreibungsprozess bis zu 75 Prozent Zeit einzusparen. Eine durchschnittlich komplexe Ausschreibung erfordert normalerweise in etwa eine Woche Aufwand. Nach Angaben von Leuthold lässt sich im Bereich der Angebotsanalyse durchschnittlich etwa die Hälfte der Zeit einsparen.

Mehr Wertschöpfung, weniger repetitive Aufgaben

Auch die Qualität der Entscheidungen profitiere von der KI. Der Einkauf kann sofort Legal Checks durchführen, was vorher sehr zeitaufwendig war. Altenbuchner berichtet, dass beide Anwendungen nicht nur für den Einkauf gedacht sind. Denn Ausschreibungen würden meist von den Fachbereichen initiiert. Beide Tools unterstützen die Mitarbeiter bei der täglichen Arbeit, indem sie repetitive Aufgaben automatisieren und so mehr Zeit für wertschöpfende Tätigkeiten schaffen.  

Doch all das kann nur funktionieren, wenn die Mitarbeiter auch befähigt werden, mit den entsprechenden Systemen umzugehen. Dafür führen Leuthold und seine Kollegen Schulungen durch, kommen in Abteilungsrunden, bieten Live-Sessions und Dialogveranstaltungen an. Aufgrund der unterschiedlichen Wissensstände sind verschiedene Schulungsebenen dabei unerlässlich. Perspektivisch sollen immer mehr Multiplikatoren aus den Key Usern entstehen und dabei helfen, die Technologie weiter zu verbreiten.

BMW hofft auf mehr Agilität durch KI-Tools

„Wir sehen in unserer Organisation, dass immer mehr Kollegen digitale Affinität haben. Diese müssen wir fördern, auch in den Fachbereichen, da unsere IT- und KI-Abteilungen den hohen Bedarf nicht abdecken können“, so Leuthold.  Während andere OEMs ausgesonderte KI-Abteilungen gründen, sei das Thema KI bei BMW in allen Ressorts integriert. Dies ermögliche, das gesamte Unternehmen und jeden Prozess zu durchdringen, beschreibt Leuthold. Das führe letztlich zu breiter Akzeptanz und wirksameren Lösungen, da die IT mit ihrer zentralen KI-Plattform und den KI-Services nicht nur Angebote mache, sondern basierend darauf gemeinsam mit dem Business nützliche Tools entwickle, die BMW schneller und digitaler machen sollen.

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