Ein IT-Chef, der die Digitalisierung des gesamten Unternehmens treibt, hat sicherlich keinen Seltenheitswert. Die Stringenz und Konsequenz, mit der Alexander Buresch das Digitale im Mittelpunkt der BMW Group positioniert, ist hingegen durchaus beeindruckend. „Hinter jedem digitalen Auto muss auch ein digitales Unternehmen stehen“, bringt es der BMW-CIO etwa in seiner Eröffnungsrede für das neue Future Lab am Digital Campus München im Frühsommer 2024 auf den Punkt.
In die frisch umgebauten Räumlichkeiten lädt der Automobilhersteller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Ressorts zum Wissensaustausch und Networking ein, um dort das gesamte Spektrum der BMW Group IT zu erleben. Die dort gezeigten Exponate sind bewusst keine Momentaufnahme, sie sind interaktiv, entwickeln sich fortlaufend weiter, um der schnellen technologischen Entwicklung Rechnung zu tragen. So bleibt das Future Lab ein sich fortlaufend verändernder Ort. Dass es sich dabei um weit mehr handelt als nur kluge interne Kommunikation der Digitalisierung, wird schnell klar, wenn man mit Buresch über seine IT-Strategie spricht. IT und Digitalisierung im Mittelpunkt des Geschäfts? Ständige Anpassung an neue Trends und Technologien? Für den BMW-CIO unverrückbare Eckpfeiler seiner Philosophie.
„Für mich ist wichtig, dass ein zentrales Zielbild in alle Köpfe gelangen kann, ein Nordstern, den alle sehen und verstehen können“
IT-Strategie ist Bureschs „Nordstern“
„Für mich ist wichtig, dass ein zentrales Zielbild in alle Köpfe gelangen kann, ein Nordstern, den alle sehen und verstehen können“, sagt Buresch. Dieser Nordstern ist seine IT-Strategie, die 2019 mit der Übernahme des CIO-Postens ihren Anfang nahm und seitdem kontinuierlich verfeinert wird. Nach einem initialen 100-Tage-Sprint standen im Frühjahr 2020 die Grundzüge dieser Strategie – und das tun sie noch heute. „Wir haben festgestellt, dass die Strategie sehr stabil ist gegenüber dem, was in den letzten Jahren auf uns zugekommen ist“, erklärt der studierte Wirtschaftsinformatiker.
Dennoch: Die Marschroute wird in jährlichen Reviewprozessen analysiert und wenn nötig angepasst – fortlaufend. Denn, und das ist Alexander Buresch wichtig, BMWs IT-Strategie ist kein in sich geschlossenes Transformationsprojekt mit definierter Laufzeit. „Stattdessen haben wir von Anfang an gesagt, wir kreieren ein Zielbild, das wir täglich bei der Umsetzung unseres Tagesgeschäfts im Betrieb, in der Entwicklung, in der Planung und Prozessgestaltung umsetzen. Alles, was wir machen, zahlt am Ende des Tages auf dieses Zielbild ein“, so der CIO.
Die fünf strategischen Handlungsfelder der BMW-IT
1. Treiber der Digitalisierung der BMW Group durch die erfolgte Integration der IT in den kontinuierlichen Fachstrategieprozess
2. Konsequente Kundenorientierung mit durchgängigen User Journeys und Erhöhung der Flexibilität und Effizienz (in IT und Business) durch unternehmensweite Plattformen, global verfügbare Baukastenlösungen und Selfservices
3. Reduzierung von Komplexität und Variantenvielfalt durch Prozessvereinheitlichung und zielgerichtete Standardisierung mit verbindlichen Templates
4. Stabilität, Skalierbarkeit und Kosteneffizienz in der IT durch Stärkung der Betriebsprozesse, Erhöhung der Automatisierung und Nutzung/Ausbau des globalen IT-Footprints (IT-Hubs)
5. Aktive Zukunftsgestaltung der BMW Group durch zielgerichtete Industrialisierung neuer Technologien und dadurch ermöglichte Geschäftsmodelle
Warum ist die Integration von IT und Business entscheidend?
In der Zusammenarbeit mit den Fachbereichen liegt das Kernelement von Bureschs Strategie. „IT ist Business und Business ist IT“, lautet der Leitsatz des IT-Chefs, der pointierter nicht formuliert sein könnte. „Früher waren IT und Business strikt getrennt – nicht ohne Konflikte“, erklärt er. Allerdings hätten die Entwicklungen der vergangenen zwanzig Jahre gezeigt, wie wichtig es ist, Digitalisierungslösungen schnell ins Unternehmen zu bringen. IT ist inzwischen ein Wettbewerbsfaktor, das haben auch die Fachbereiche verstanden. Nun sitzt die IT in den jährlichen Strategieprozessen mit den Fachbereichen am Tisch – sprichwörtlich, wie Alexander Buresch skizziert: „IT-Themen werden bei Businessentscheidungen von Anfang an berücksichtigt, und wir sind ein aktiver Prozesspartner. Das ist für mich einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren.“
Die Integration von IT und Business ist das erste und zentrale von fünf strategischen Handlungsfeldern, die in Summe das Kernverständnis von Bureschs IT-Team ausmachen (siehe Kasten). Daneben soll sich BMWs IT konsequent am internen Kunden ausrichten, durchgängige User Journey und Datenbasis inklusive. In der Vergangenheit orientierten sich die Daten immer an Organisationsstrukturen. „Wir wollen weg von dem Silodenken hin zu einer auf den Kunden ausgerichteten Struktur mit durchgängigen Datenstrukturen und Funktionen“, erklärt Buresch. So werden Datenplattformen künftig konsequent an fachlichen Inhalten ausgerichtet. Ein Beispiel sind etwa Take-Rate-Prognosen. Früher war es durchaus denkbar, dass verschiedenste Abteilungen wie Vertrieb, Einkauf oder Produktion eigene Daten aufgebaut und gepflegt haben. Heute greifen diese Abteilungen über Schnittstellen auf die gleiche Datenbasis zu.
Das dritte Mantra ist die Reduktion von Komplexität über Harmonisierung und Standardisierung. Das alles soll dann möglichst schnell in die Skalierung kommen – und nicht wie in der Vergangenheit an den Wänden der Silos zerschellen. Und letztlich arbeitet Bureschs Team aus über 11.000 ITlern beständig daran, neueste Technologietrends zu erkennen und gewinnbringend im Unternehmen einzusetzen. Dem CIO ist es zudem wichtig zu betonen, dass ohne eine funktionierende Basis diese strategischen Felder wohl kaum in die Umsetzung kommen. „Nur wenn der Betrieb stabil läuft und wenn starke Governance, Compliance und Security vorherrschen, kann man Projekte erfolgreich umsetzen.“ Methodisch bleibt der CIO bei dem, was sein Vorgänger Klaus Straub bereits prominent in der Branche skandierte: 100-prozentige Agilität.
„Wir starten zunächst mit einer Gap-Analyse und schauen, wo wir noch besser werden können“
BMW passt IT-Strategie jährlich an
Mit der gleichen Stringenz, mit der Alexander Buresch seine Strategie aufgebaut und ins Tagesgeschäft übertragen hat, wird sie im jährlich wiederkehrenden Strategieprozess analysiert und wenn nötig angepasst, erklärt Frédéric-Felix Lacour, verantwortlich für die IT-Strategie. Passen die strategischen Handlungsfelder noch zur Realität im Tagesgeschäft? Gibt es technologische Trends, die es zu bewerten gilt? Diese Fragen werden in einem klaren Prozess beantwortet. „Wir starten zunächst mit einer Gap-Analyse und schauen, wo wir noch besser werden können. Der Input dafür ist breit gestreut“, erklärt Lacour. Tech-Trends werden ebenso analysiert wie die politischen, sozialen, ökonomischen und ökologischen Rahmenbedingungen unserer Zeit.
Diesen Check führen Lacour und sein Team monatlich durch und konsolidieren dabei die Ergebnisse. Bereits frühzeitig im laufenden Prozess wird der IT-Leitungskreis ins Boot geholt und werden in regelmäßigen Workshops die Stoßrichtungen ausgearbeitet. „Durch diesen sehr integrativen Ansatz vermeiden wir in der Umsetzung Reibung, weil alle abgeholt sind“, so der IT-Stratege. Wurde ein Thema identifiziert und beschlossen, geht es an die Umsetzung. Lacour liefert als Beispiel die Hub-Strategie des OEMs: „Eine der Fragestellungen war, wie wir unser Netzwerk in Osteuropa erweitern wollen. Wir haben unterschiedliche Varianten diskutiert und uns letztlich für Rumänien entschieden.“
Wenn die IT-Strategie schließlich auch vom Vorstand befürwortet wird, geht es in die Kommunikation und Implementierung. Über Town Halls, interne Newsletter oder Workshopformate und Deep Dive Sessions werden die Themen von Alexander Buresch und seinem Leitungsteam in die Mannschaft getragen. Ab diesem Moment wird aus der Strategie tägliche Arbeit. „So müssen wir uns nie fragen, wie wir den Transfer in die Linie hinbekommen. Wenn wir uns etwa für Cloud-by-default entscheiden, dann ist ab diesem Moment jedes Architekturprojekt auf Basis der Cloud aufzubauen. Das gilt analog für jedes andere Thema auch“, sagt Lacour. Und spätestens dann beginnt für ihn und sein Team wieder der jährliche Kreislauf der IT-Strategie.
Am 01. Oktober 2024 steht Deutschlands größtes Branchentreffen der Automobil- und IT-Industrie in Berlin vor der Tür. CIOs und IT-Expert:innen stellen auf dem automotiveIT Kongress ihre aktuellen Strategien und Projekte vor. So auch Alexander Buresch: Der IT-Chef von BMW wird den automotiveIT Kongress mit einer Keynote eröffnen und dem Publikum vor Ort exklusive Einblicke in die IT-Strategie der Münchener gewähren. Erleben Sie darüber hinaus spannende Vorträge, Paneldiskussionen, Insights auf unseren Deep Dive-Bühnen, die Verleihung der diesjährigen IT Team Awards und natürlich das Networking mit der Community hautnah. 🎫 Jetzt Ticket sichern!