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Die Automobilherstelller müssen bei der Softwareentwicklung Tempo aufnehmen - und Brücken zu neuen Partnern und Entwicklern bauen. (Bild: Mercedes-Benz / Andreas Croonenbroeck)

Lange Zeit geisterte in der Autobranche die Vorstellung umher, die Autohersteller wollten das softwaredefinierte Fahrzeug in kompletter Eigenregie auf die Beine stellen. Und Konzerne wie Volkswagen oder Mercedes-Benz taten viel dafür, dieses Bild öffentlichkeitswirksam zu etablieren. Bei näherem Hinsehen und angesichts der vielen Probleme, die die OEMs offenkundig mit dem Thema Software haben, erkennt man jedoch schnell, dass komplette Alleingänge nicht funktionieren – vor allem aus Kostensicht.

Software verursacht immense Kosten

Laut einer Studie der Berater von Roland Berger steigen die Ausgaben für Software in der Branche bis zum Jahr 2030 von aktuell 26 Milliarden auf 59 Milliarden US-Dollar. Der Aufbau komplexerer Softwarearchitekturen führt zudem zu höheren Entwicklungsausgaben von rund sieben Milliarden US-Dollar. Das alles werde unter anderem gedämpft durch deutliche agilere Softwareentwicklung, so Roland Berger, doch das allein reiche nicht. Für das Design des Software-defined Vehicle müssen die Hersteller auf Technologiepartner setzen, Standards für Partnerschaften etablieren und sich vor allem viel stärker gegenüber der Open-Source-Entwicklung öffnen.

„Während die Wiedervermarktung von geistigem Eigentum für Zulieferer und spezialisierte Softwareanbieter bereits zum Kerngeschäft gehört, ist sie für Fahrzeughersteller noch weitestgehend Neuland“, erklärt Roland Berger-Experte Wolfgang Bernhart. „Um das kommerzielle Potenzial des Handels mit Intellectual Property auszuschöpfen, müssten die Automobilunternehmen unter anderem verstärkt auf Partnerschaften mit Zulieferern setzen und aufkommende Software-Marktplätze nutzen.“

Warum setzt Cariad auf Open Source?

Besonders augenfällig wird die neue Charmeoffensive gegenüber Kooperationspartnern und der weltweiten Entwickler-Community bei der VW-Tochter Cariad. Das krisengeschüttelte Software-Schnellboot hat in den letzten Monaten eine Partnerschaft mit einem Zulieferer oder Tech-Player nach der anderen verkündet. Für die Entwicklung von Mikrochips hat sich Cariad mit STMicroelectronics zusammengetan, beim autonomen Fahren in Richtung Level 4 kommen seit kurzem Bosch und der US-Chipriese Qualcomm ins Spiel. Für die Softwareplattform VW.OS selbst soll in den nächsten Jahren Blackberry QNX weiterhelfen.

Einen noch beachtlicheren Schritt ging Cariad jedoch mit der Öffnung gegenüber der weltweiten Open-Source-Community: Im Juni gab das Unternehmen bekannt, sich der Entwickler-Gemeinschaft Eclipse Foundation anschließen zu wollen. Als Mitglied der Arbeitsgruppe „Software Defined Vehicle (SDV)“ wolle man nicht nur Projekte beisteuern, sondern auch Komponenten von VW.OS und der Automotive Cloud veröffentlichen und Entwicklern zur Verfügung stellen, hieß es dazu aus Wolfsburg. Dabei handelt es sich beispielsweise um Basisfunktionalitäten, die eine schnelle Kommunikation zwischen verschiedenen Bauteilen im Fahrzeug ermöglichen.

„Die offene Zusammenarbeit mit anderen Entwickler:innen ist für ein funktionierendes digitales Ökosystem zentral: Das softwaregetriebene Auto als komplexestes Mobile Device profitiert im Besonderen von der Kooperation der Open-Source-Community“, erklärte Cariad-CTO Lynn Longo den Schritt.

Was ist Open-Source-Software?

Immer mehr Automobilhersteller setzen in der Entwicklung von Fahrzeugen oder in der Produktion auf das Knowhow der weltweiten Open-Source-Community. Unter Open Source versteht beispielsweise der Bitkom solche Software, deren Quellcode öffentlich zugänglich ist und deren Lizenz es erlaubt, die Software zu nutzen, zu analysieren, zu verändern oder weiterzuentwickeln. Entsprechende Open-Source-Projekte werden beispielsweise auf der Plattform GitHub veröffentlicht, auf der die weltweite Entwickler-Community auf die OSS zugreifen kann. Open Source ermöglicht beispielsweise offene Standards, Skalierung, weniger Komplexität oder Transparenz, macht Unternehmen jedoch auch abhängiger von der Community und eventuell anfälliger gegenüber Cyberattacken.

Was steckt hinter der Eclipse Foundation?

Neben der Volkswagen-Tochter gehören der seit 2004 bestehenden Eclipse Foundation Unternehmen wie Toyota, BMW, Mercedes, Bosch oder Microsoft an. Sie alle wollen gemeinsam an einem Open-Source-Runtime-Stack für Fahrzeuganwendungen, cloudbasierte Prozesse und hochintegrierte Entwicklungs-Toolchains arbeiten, der produkt-, marken- und unternehmensübergreifend eingesetzt werden kann.

„In nur wenigen Monaten haben wir sieben Projekte auf die Beine gestellt, die zusammen echten Code für alle Aspekte des automobilen Software-Ökosystems entwickeln werden. Wir gehen davon aus, dass diese Dynamik in den kommenden Monaten noch zunehmen wird“, zeigte sich der Executive Director der Eclipse Foundation, Mike Milinkovich, begeistert.

Die Aussage unterstreicht das neuerliche Bestreben der OEMs, möglichst schnell Komplexität und Aufwand in der Fahrzeug- beziehungsweise Softwareentwicklung zu senken und damit im Eiltempo zu funktionierenden Ergebnissen zu kommen. Und das ist dringend notwendig, will man den Zug der softwarebasierten Wertschöpfung nicht verpassen.

 

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