Herr Zugehör, Sie sind vor mehr als einem Jahr von einem jungen Cloud-Software-Unternehmen, das Sie selbst mitgegründet haben, zurück in die Automobilindustrie gewechselt, in der Sie vor rund 20 Jahren schon einmal gearbeitet haben. War das ein sanfter Übergang oder doch ein Kulturschock?
Wenn man ein eigenes Softwareunternehmen aufbaut, lernt man, sich sehr agil aufzustellen. Man muss mit ordentlicher Geschwindigkeit unterwegs sein, um beispielsweise mit amerikanischen Wettbewerbern mithalten zu können. Das war von der Arbeitsweise her ganz anders als ich es in meinem vorherigen Job bei Audi gewohnt war. Dort waren wir damals sehr klassisch unterwegs, stark prozessorientiert, geprägt von Hierarchieebenen und Gremien. In der Software-Welt dagegen und speziell bei Cloudthemen entwickelt man Produkte nicht im Wasserfall-Modell, sondern denkt sie in Updates, in Iterationen. Dieses Wissen und die Erfahrungen haben mir bei meiner Rückkehr in die Autoindustrie und zu Cariad sehr geholfen. Gleichzeitig ist es wichtig, die klassische Auto-Welt zu kennen. So weiß ich, an welcher Stelle ich den kulturellen Wandel anstoßen muss, um das Mindset eines Tech- und Softwareunternehmens zu schaffen.
Ist Ihr Mutterkonzern Volkswagen hier schon auf dem richtigen Weg?
Der Volkswagen-Konzern befindet sich schon seit längerem in einer grundlegenden Transformation, hervorgerufen durch die Elektrifizierung und Digitalisierung. Der Anspruch, einen großen Teil der Software selbst zu entwickeln, bringt noch mal eine neue Qualität an Veränderung mit sich – vor allem was Mindset und Strukturen betrifft. Mit den tausenden Softwareentwicklern kommt eine neue Gruppe von Menschen in den Konzern, die eine ganz andere Kultur kennen und leben. Gleichzeitig müssen wir bedenken, dass wir kein reines Softwareunternehmen sind, sondern auch mit Hardware zu tun haben. Es muss uns also gelingen, verschiedene Logiken, wie Produkte in einem Fahrzeug entstehen, klug miteinander zu verbinden. Das ist die eigentliche Herausforderung. Softwarekompetenz allein wird uns nicht weit bringen, das perfekte Zusammenspiel der beiden Welten Software und Hardware wird uns im Bereich Automotive Software zum Erfolg führen.
Sie sind die Nachfolge von Martin Hofmann, einem waschechten VWler, angetreten und als „versierter Software-Experte“ zu Cariad geholt worden. War der frische Wind von außen nötig, um die Softwaretochter im HR-Bereich auf Kurs zu bringen?
Martin Hofmann hat sehr gute Aufbauarbeit geleistet und ich kann jetzt das fortsetzen, was er begonnen hat. Es war eine immense Herausforderung, die damalige Car.Software-Organisation aufzubauen – da war es natürlich von Vorteil, dass er die Strukturen und Prozesse des Volkswagen Konzerns sehr gut kennt. Damals ging es darum, sehr viele Teams aus den Marken über Konzernleihen zusammenzubringen. Martin Hofmann hat die Basis geschaffen und ich entwickle nun mit meinem Team die Organisationsstrukturen weiter, aber auch die Kultur, das Mindset und die Art und Weise, wie wir in Zukunft Talente auswählen.
Sie kennen also auch die Besonderheiten und Schwierigkeiten, in einem Mehrmarkenriesen wie Volkswagen alle an einen Tisch zu bekommen?
Cariad ist Teil des Volkswagen-Konzerns und wir arbeiten mit den Marken eng zusammen. Wir tauschen uns an verschiedenen Stellen eng aus, da muss man die Strukturen und Gremien kennen. Cariad ist als Software-Powerhouse innerhalb des Konzerns schlank und agil aufgestellt. Dennoch gilt: Wir sind kein Software-Startup, das völlig frei agiert und aus dem Nichts heraus gegründet wurde. Wir kommen nicht umhin, uns in der Zusammenarbeit an gewisse Prozesse zu halten. Und das ist sinnvoll: Beim Thema Sicherheit im Fahrzeug zum Bespiel können wir beim Softwaredeployment auf den Prozessen und Erfahrungen des Konzerns aufsetzen. Es geht darum, die verschiedenen Kompetenzen im Konzern optimal miteinander zu verknüpfen – um gemeinsam erfolgreich zu sein.
Ihr Unternehmen kommt in den zurückliegenden Monaten nicht so recht aus den Negativschlagzeilen heraus. Es heißt, die Entwicklung der Software für das Betriebssystem VW.OS geriete ins Stocken, wichtige Modelle müssten gar verschoben werden. Wie erleben Sie die Situation und wie kommt das mediale Echo in der Belegschaft an?
Wir haben ein sehr starkes Team, das zusammen mit den Marken intensiv an den verschiedenen Aufgaben arbeitet. Wir entkoppeln die Software- von der Hardware-Entwicklung und wollen Software als führendes Element in der Entwicklung etablieren. Die Automatisierung und Digitalisierung des Autos führen zu einer tiefgreifenden Veränderung – nicht nur bei Cariad, sondern auch bei den Marken. Solch ein Kraftakt kann logischerweise nicht immer reibungslos ablaufen. Aber wir haben in den letzten Monaten enorme Fortschritte gemacht und zum Beispiel wichtige technologische Weichenstellungen für das automatisierte Fahren vorgenommen. Wir haben ein tolles Team, das die Herausforderungen sehr motiviert angeht. Cariad muss ein Erfolg sein, wir tragen ganz erheblich dazu bei, den Konzern zukunftssicher aufzustellen. Die mediale Berichterstattung kann zwischendurch schon mal auf die Stimmung drücken, aber wir lassen uns nicht davon irritieren und arbeiten mit Hochdruck an der Mobilität der Zukunft.
Cariad ist also zum Erfolg verdammt. Ist das nicht eine immense Belastung für Ihr Team?
Der Druck ist hoch, keine Frage. Die Motivation ist es aber auch. Lassen Sie mich das am Beispiel Konzernleihe verdeutlichen: Cariad beziehungsweise die Car.Software-Organisation wurde seinerzeit aus den Reihen des Konzerns gegründet – rund 2.000 Expertinnen und Experten wurden damals von den Marken geliehen. Nun ist diese Konzernleihe zum Juli ausgelaufen und die Mitarbeitenden hatten die Möglichkeit, sich wieder für den Weg zurück zu den Marken wie Audi oder Porsche zu entscheiden oder einen Vertrag bei uns zu unterzeichnen. Rund 86 Prozent haben sich für Cariad entschieden. Das zeigt für mich sehr eindrucksvoll, wie gut die Stimmung im Team ist, wie hoch das Commitment ist. Und das trotz des hohen Arbeitspensums und der nicht immer nur positiven Medienberichte in den vergangenen Monaten. Viele fühlen sich bei uns als Teil einer Mission, was uns natürlich sehr freut.
Hat das auch mit den Methoden und der Arbeitsatmosphäre bei Cariad zu tun, die sich ja gegenüber den traditionellen Kernmarken häufig noch unterscheiden?
Absolut. Wir bieten viele Freiräume. Bei uns spielen die Teams eine besonders wichtige Rolle. Gerade in der Softwareentwicklung, in der es darum geht, Software in kurzen Zyklen zu deployen, funktionieren keine langen Freigabeprozesse – hier muss das Team selbst schnell entscheiden können. Deshalb verändern wir die Art und Weise, wie wir führen. Wir trennen mehr und mehr die klassische disziplinarische von der fachlichen Führung. Und das muss auch so sein, weil eine fachliche Führung kann auch nur von den jeweiligen Fachleuten gewährleistet werden. Das betrifft auch die Feedbackkultur. Wir entfernen uns von der klassischen Bewertung durch einen disziplinarischen Vorgesetzten in jährlichen Eins-zu-Eins-Gesprächen hin zu Team-Feedbackrunden. Wir führen gerade tausende von Feedbacks durch, für die sich Mitarbeitenden freiwillig melden und wünschen können, von welchen Teammitgliedern oder „Peers“ sie sich Rückmeldung wünschen. Das wird extrem gut angenommen. Wir haben die Teams mit einer größeren Verantwortung und Entscheidungsfreiheit ausgestattet und damit eine kulturelle Veränderung auf den Weg gebracht.
Cariad soll ganz in der Tradition der Software-Branche Ihre Produkte und Lösungen agil entwickeln und für die Konzernmarken als Dienstleister fungieren. Doch in der Autoindustrie funktioniert vieles noch nach klassischen Wasserfallprozessen. Wie bringt man die beiden Welten kommunikativ zusammen?
Bestimmt nicht, indem wir ab morgen alle agil arbeiten. Wir müssen ganz genau hinschauen, wo agiles Arbeiten tatsächlich sinnvoll ist. Selbst bei Cariad ist das nicht überall der Fall. Eine wichtige Veränderung bei uns ist, dass wir den Technologie-Stack bildlich gesprochen aus der Vertikalen in die Horizontale kippen. Das heißt: Weg von technologischen Monolithen beim Infotainment oder autonomen Fahren hin zu einer Application-, einer Software- und einer Hardware-Ebene mit Sensorik und Kamerasystemen. Und diese unterschiedlichen Layer haben auch unterschiedliche Deployment-Zyklen. Im Hardware-Bereich orientieren wir uns stark an den Produktionsstarts der Fahrzeuge. Aber auf der Applications-Ebene sind die Deployment-Zyklen sehr viel kurzfristiger. Ähnlich wie bei einem Smartphone: Da gibt es auch nicht täglich neue Hardware, aber die Apps ändern sich ständig. Und so wird es bei uns auch sein. Auf diesem obersten Layer, im Bereich der Applikationen, benötigen wir agile Arbeitsmethoden und eine neue Kultur. Beim Hardware-Layer wiederum müssen wir wieder anders zusammenarbeiten. Daher existieren parallel verschiedene Arbeitsmodelle, bei Cariad und auch im Volkswagen-Konzern.
Sprich Agilität nicht zum Selbstzweck?
Korrekt. Man muss sehr genau prüfen, wo man welche Arbeitsmethoden einführt. Die Methode muss sich aus dem Produkt ableiten, nicht umgekehrt. Viele denken, agiles Arbeiten sei immer per se besser. Das sehe ich nicht so. Es kommt immer auf das jeweilige Ziel und das Produkt an.
Für die Entwicklung von Software braucht es die richtigen IT-Talente. Volkswagen nimmt Milliarden in die Hand, damit bis 2025 gut 60 Prozent der Software im eigenen Haus entwickelt werden kann. Was zeigt der Fortschrittsbalken hier an? Wie viel mehr Ressourcen braucht es, um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen?
Wir wollen dieses Jahr rund 1.500 neue Talente einstellen, die wir weltweit rekrutieren. Das ist eine große Aufgabe, weil wir leider nicht die einzigen sind, die hervorragende Tech-Talente und Softwareentwickler suchen. Aber das Interesse ist groß, uns erreichen inzwischen monatlich tausende Bewerbungen. Im vergangenen Jahr konnten wir 1.000 Talente für uns gewinnen. In diesem Jahr haben wir bereits 800 unter Vertrag genommen. Wir merken, dass viele Softwareentwickler von unserer Mission überzeugt sind und sehen, dass sie bei uns das Fahrerlebnis im Auto grundlegend verändern und am Auto der Zukunft mitarbeiten können.
Auf welchen Wegen erzählen Sie den Talenten von Ihrer Mission?
Heute funktioniert das nicht mehr über die klassische Stellenausschreibung. Wir halten Ausschau nach Talenten über Direct Search, beispielsweise über LinkedIn. Unser Team hat da den ganzen Globus im Blick, wir sprechen die Talente direkt an und merken: fast alle kennen Cariad. Generell hat sich der Bewerbungsprozess verändert. Wir wollen wissen, was die Talente können und wie gut ihre Programmier-Skills sind. Das prüfen wir auch. Und nach den Kompetenzen bemisst sich dann das Gehalt.
Laut Bitkom sind in Deutschland aktuell 96.000 Stellen für IT-Fachkräfte unbesetzt. Wie kann Cariad im besonderen Maße attraktiv sein?
Ein wichtiger Faktor ist das Arbeitsumfeld. Wir ziehen momentan viele Talente aus Startups aus Berlin und anderen Standorten an, da wir als Teil eines großen Konzerns natürlich sehr viel mehr Stabilität ausstrahlen. Aber am Ende des Tages ist das Thema der Skalierbarkeit unserer Software mitentscheidend, das ist für viele Developer besonders attraktiv. Ich kreiere etwas, das ich nachher in Millionen von Fahrzeugen erleben oder sehen kann. Solch ein spannendes Produkt können nicht viele bieten, damit können wir punkten.
Was erhoffen Sie sich von der Software-Talenteschmiede 42 Wolfsburg in diesem Zusammenhang?
Sehr viel. Wir haben ja nicht umsonst auch in Berlin nach dem Wolfsburger Modell eine solche Schule mitgegründet. Dort werden bis zu 600 Studierende das Softwareengineering erlernen. Es wird noch etwas dauern, bis wir die ersten Absolventen sehen. Klar ist aber jetzt schon: Die Coding-Schulen sind ein wichtiger Baustein, wie wir in Zukunft selber Talente fördern – das wollen wir nicht nur dem Markt überlassen. Das Gute an solchen Initiativen ist, dass wir auch einzelne Lehrgänge mit definieren können, angepasst an unsere Bedürfnisse. Im Konzern gibt es noch weitere spannende Initiativen, zum Beispiel die Fakultät 73, ein Transformationsprogramm von Volkswagen. Hier erhalten Mitarbeitende aus der Produktion die Möglichkeit, das Coden zu lernen. Es gibt viele Menschen im VW-Konzern, die bisher nichts mit Algorithmen zu tun hatten, jedoch eine Grundaffinität mitbringen und bei uns eine Chance bekommen. Wir haben sehr positive Erfahrungen damit gemacht, bei uns arbeiten heute bereits einige Menschen im Bereich künstliche Intelligenz, die ursprünglich aus der Produktion kommen.
Werden Ihrer Ansicht nach in der staatlichen universitären Ausbildung die richtigen Schwerpunkte in Richtung Software gesetzt?
Wir sehen ganz klar einen Engpass beim Thema künstliche Intelligenz. Hier fehlt es noch an Angeboten, vor wenigen Jahren gab es noch kaum Ausbildungsgänge an den Universitäten. Bei uns arbeiten viele Talente, die sich das selbst beigebracht haben. Ich würde mir wünschen, dass die Universitäten in Deutschland hier noch stark nachlegen. Denn KI wird in Zukunft einen sehr großen Teil der Software im Fahrzeug ausmachen, zudem spielt sie für die Analyse und intelligente Nutzung der Daten aus dem Auto eine entscheidende Rolle, zum Beispiel für die datengetriebene Entwicklung.
Welche neuen Anforderungen tragen eigentlich junge Bewerberinnen und Bewerber an Sie heran?
Die Erwartungen sind klar: Keine klassischen hierarchischen Strukturen wie in einem traditionellen Unternehmen. Die Tech-Talente erwarten, dass sie in ihren Teams viele Entscheidungen eigenverantwortlich treffen und Dinge einfach ausprobieren können. Dass sie im Team auch selbst entscheiden können, wo sie arbeiten, sprich: keine Anwesenheitspflicht, sondern die maximale Flexibilität bei der Standortwahl. Dazu kommt das Thema Feedbackkultur, das ich schon angesprochen habe. Ein rein disziplinarischer Vorgesetzter, der kaum etwas mit der eigenen Arbeit zu tun hat, kann die Programmierleistung nicht valide bewerten. Das Feedback muss stattdessen aus dem Team kommen, mit dem man täglich zusammenarbeitet. Wichtig ist den Talenten auch, dass im Unternehmen Offenheit und Transparenz gelebt wird. Wenn man die Entscheidungen auf die Teams überträgt, müssen diese auch gut informiert sein. All das setzen wir um. Die wichtige Rolle der Teams spiegelt sich auch in unserem Raumkonzept wider, die Büros sind sehr stark auf Kollaboration ausgelegt. Es gibt nur noch wenige Einzelbüros, stattdessen viel Raum für den Austausch mit Kollegen. Und letztlich geht es auch um eine andere Form der Entlohnung. Hier gehen wir mit dem kompetenzorientierten Software-Haustarifvertrag neue Wege. Wenn ich sehr gut bin auf meinem Gebiet, verdiene ich mehr.
Nicht erst seit Corona ist das Thema Remote beziehungsweise Mobile Work en vogue. Doch wie gelingt es eigentlich, innerhalb einer Belegschaft, die sich immer seltener physisch an einem Ort versammelt, einen gemeinsamen Spirit und damit auch eine Begeisterung fürs Unternehmen zu kreieren?
Das ist eine große Herausforderung für alle Unternehmen. Auch hier gibt es wieder keine „One size fits all“-Lösung. In der Softwareentwicklung ist es natürlich einfacher, remote zusammenzuarbeiten, weil man auf gemeinsamen Plattformen Software entwickeln kann. Dennoch ist es wichtig, sich regelmäßig vor Ort zu treffen. Wie oft das stattfindet, entscheiden die Teams selbst. In unseren Büros treffen sich die Kollegen nicht unbedingt zum Software-Coden, sondern vielmehr um sich auszutauschen und Lösungen zu besprechen. Das ist auch das Ziel unserer „Power Days for Teams“. Alle Teams bei Cariad haben die Möglichkeit, zweieinhalb Tage zusammenzukommen. Wir fördern damit das Teambuilding und bieten den Teams die Möglichkeit, verschiedene Themen zu diskutieren, zum Beispiel: Wie gehen wir mit Stress um? Was heißt agiles Arbeiten für uns? Wie können wir besser zusammenarbeiten? Daneben gibt es bei uns auch einige Jobs, in denen man nicht rein digital arbeiten kann, bei denen die Mitarbeitenden auch vor Ort direkt am Fahrzeug arbeiten. Insofern gibt es bei Cariad beide Welten – die digitale und die physische Zusammenarbeit.
Sie haben betont, dass „nur vielfältige Teams zum Erfolg“ führen. Warum ist das so und was tun Sie konkret, um Diversity jenseits von Marketingfloskeln in die Tat umzusetzen?
Als Tech Company ist es uns wichtig, Vielfalt zu fördern und das Schlagwort Diversity auch mit Leben zu füllen. Für uns umfasst Diversity mehr als den Frauenanteil in Führungspositionen, uns geht es auch um unterschiedliche kulturelle Hintergründe, unterschiedliche Mindsets. Bei Cariad arbeiten Menschen aus rund 70 Nationen und die Sprache ist mittlerweile Englisch. Das hilft den Kollegen, die aus anderen Ländern zu uns kommen, sich schnell zurechtzufinden und Teil des Teams zu werden. Dadurch können wir auch anders rekrutieren und viel mehr Menschen weltweit ansprechen. Dennoch haben wir beim Thema Diversität noch einen langen Weg vor uns und wollen noch deutlich mehr Vielfalt in unsere Teams bringen. Wir orientieren uns hier weniger an der klassischen Autoindustrie, sondern an Tech-Unternehmen wie Google, Apple oder Microsoft.
Wie können Sie hier konkret die Pace aufnehmen?
Bei der Gründung der Coding-Schule 42 Berlin haben wir uns zum Beispiel dafür eingesetzt, die Quote für weibliche Studierende von zehn Prozent – wie an anderen technischen Hochschulen üblich – auf mindestens 40 Prozent zu erhöhen. Das finde ich immens wichtig. Darüber hinaus haben wir ein Trainee-Programm ins Leben gerufen, mit dem wir gezielt Frauen ansprechen wollen. Und das fängt schon beim Namen an. Das Traineeship ist nach Ada Lovelace, der ersten Programmiererin der Welt, benannt. Zudem haben wir Beate Hofer (Volkswagen-CIO, Anm. d. Red.) in das zugehörige Mentoring-Programm eingebunden. Mit Erfolg: Wir haben bei den Trainees einen Frauenanteil von aktuell 80 Prozent. Daran sieht man sehr schön: Wenn wir die Grundstrukturen, das Wording, das Narrativ solcher Ausbildungsprogramme entsprechend gestalten, können wir viel stärker das Interesse bei Frauen wecken. Wenn man etwas verändern will und Vielfalt fördern will, muss man bei den Strukturen ansetzen – das ist unser Weg.
Zur Person:
Zu Beginn seiner Karriere hatte Rainer Zugehör verschiedene Positionen im Personalbereich inne, unter anderem bei ThyssenKrupp und von 2003 bis 2005 bei Audi, wo er direkt an den damaligen Personalvorstand berichtete. Im Jahr 2006 gründete Zugehör die Firma MovingIMAGE24 und war zugleich Teil der Geschäftsführung des global agierenden Cloud-Software-Unternehmens. Er studierte an der Universität Trier und promovierte anschließend am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln.