Interview mit Peter Gliwa, Gliwa

„Am Ende bauen wir jedoch reale Autos…“

Präzises Timing ist ein entscheidender Faktor in der Embedded-Software. Peter Gliwa, CEO von Gliwa, erklärt, warum Entwickler die Lücke zwischen virtueller und realer Welt schließen müssen – und warum ECUs auf Determinismus ausgelegte Prozessoren brauchen.

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Auch in der Fachliteratur zu finden: Peter Gliwa, dessen Buch Embedded Software Timing 2021 erschien.

Peter Gliwa arbeitet seit mehr als zwei Jahrzehnten an vorderster Front des Embedded-Timings – von der Entwicklung der Timing Suite T1 bis zur Betreuung internationaler Projekte im Bereich Echtzeit-Performance und RTOS-Design. Bevor er im Jahr 2003 das nach ihm benannte Unternehmen gründete, war Gliwa als Entwickler und Produktmanager tätig, zudem lehrte er Mikrocomputertechnik.

Als Speaker auf der kommenden Automotive Computing Conference in München erläutert er, warum präzises Timing entscheidend für die Zuverlässigkeit von SDVs ist – und weshalb die Branche dringend Prozessoren braucht, die speziell für deterministische Leistung entwickelt werden.

Herr Gliwa, Timing ist zu einem entscheidenden Faktor im Bereich Embedded-Software geworden. Welche Herausforderungen werden Ihrer Meinung nach von Entwicklern am häufigsten unterschätzt, wenn es um die steigende Softwarekomplexität moderner ECUs geht?

Das größte Problem in diesem Zusammenhang ist mangelnde Awareness. Vielen ist gar nicht klar, wie ihr Timing, ihre Scheduling-, Kommunikations- und Synchronisationsmechanismen tatsächlich aussehen. Simulationen, statische Analysen und virtuelle ECUs haben alle ihre Berechtigung, aber sie beschreiben eine modellbasierte, virtuelle Welt. Am Ende bauen wir jedoch reale Autos. Wenn man die reale Welt und deren TimingS ausblendet, führt das zu Task Forces – und letztlich zu weniger sicheren, weniger zuverlässigen Embedded-Systemen. Die Lücke zwischen der virtuellen und der realen Welt ist größer, als man denkt!

Auf der ACC 2025 sprechen Sie über die Unterschiede zwischen Echtzeit- und Nicht-Echtzeit-Betriebssystemen. Wie beeinflussen Prozessor-Architekturen das Timing-Verhalten – und welche Strategien helfen, in zunehmend heterogenen Systemen eine deterministische Performance sicherzustellen?

Das ist eine gute Frage, vielen wird meine Antwort nicht gefallen. Beim Aufbau sicherheitsrelevanter Embedded-Systeme sollte man immer das „Worst Case“-Timing im Kopf haben. Die Zeitvorgaben müssen unter allen realistischen Bedingungen eingehalten werden. Die Prozessor-Architekturen und Betriebssysteme, die für High-Performance-Computing, Desktop-PCs oder Smartphones entwickelt wurden, eignen sich jedoch kaum für harte Echtzeitanforderungen. Diese Architekturen und Systeme sind auf maximalen Durchsatz ausgelegt – das heißt, ihre Ausführungs- und Reaktionszeiten sind im Durchschnitt gering, können im schlimmsten Fall aber sehr schlecht sein. Dennoch übernimmt die Embedded-Welt oft einfach das, was aus dem High-Performance-Computing-Bereich kommt. Wäre es nicht gut, wenn jemand einen dedizierten Embedded-Prozessor entwickeln würde? Apitronix ist ein Unternehmen, das in diese Richtung geht.

Gliwa ist bekannt für tiefgehende Expertise in Timing-Analyse und -Optimierung. Wie sehen Sie die Rolle des präzisen Zeitmanagements, wenn sich die Branche in Richtung softwaredefinierte und KI-gestützte Fahrzeugplattformen bewegt?

Ich sehe drei Arten von Plattformen: erstens klassische Embedded-ECU, zweitens die POSIX-basierte High-Performance-Steuereinheit mit oder ohne KI sowie drittens einen zentralisierten Ansatz mit RCP. Alle haben ihre eigenen Timing-Anforderungen, die bereits in der Designphase berücksichtigt werden müssen. Hier kann eine Scheduling-Simulation helfen, ein klares Bild zu bekommen und das Design gezielt zu formen. Sobald eine erste Systemversion läuft, ist es entscheidend, das Timing am realen System zu messen, zu tracen und zu überwachen – bei allen drei Plattformtypen.

Dieses Interview erschien zuerst auf unserem englischsprachigen Portal Automotive Digital Transformation.