Cybersicherheit im Connected Car

Ist das Auto bereit für das Quantenzeitalter?

Könnten Quantennetzwerke und -kommunikation künftig die Automobilbranche verändern? Denkbar wäre das von fahrzeuginternen Netzwerken bis hin zu sensorischer Sicherheit. Doch wie realistisch ist das?

Quantennetzwerke im Fahrzeug sind zum jetzigen Stand noch Zukunftsmusik. Hersteller wie BMW loten aber schon seit einigen Jahren deren Potenziale aus.

Für die Automobilbranche ist Cybersicherheit ein Dauerthema. Over-the-Air-Updates, Car-to-X-Kommunikation , Flottenmanagement, digitale Schlüssel, sensorbasierte Fahrerassistenzsysteme, aber auch Smart Factories erzeugen riesige Mengen sensibler Daten. Gleichzeitig wächst das Risiko von Manipulationen und Cyberattacken. Das Fahrzeug wird zur rollenden Datenplattform – und damit auch zur rollenden Angriffsfläche. Quantennetzwerke und -kommunikation könnten dem gegensteuern, indem sie Angriffe auf Kommunikationskanäle früh erkennen und verhindern. Doch wie realistisch ist das?

Wann kommt die Quanten-Disruption?

Was bislang nach Science-Fiction klingt, ist längst Gegenstand der Forschung. Mit dem Quanteninternet entstehen völlig neue Kommunikationsparadigmen, die in der vernetzten Mobilität eine Schlüsselrolle spielen könnten. Bei BMW lotet man bereits seit 2017 die Potenziale aus. „Wir verstehen das Quantencomputing als strategische Zukunftstechnologie, die u nserem Kerngeschäft nützen kann“, so Andre Luckow, Leiter Innovation & Emerging Technologies der BMW Group. „Mit unseren Aktivitäten in diesem Feld wollen wir zudem den Standort Europa in seiner digitalen Souveränität stärken.“ Auch was den nächsten Schritt anbelangt: Die Verknüpfung von Quantencomputing mit KI.

Allerdings: Schnell wird das nicht gehen. Davon ist Frank Wilhelm-Mauch, Direktor des Instituts für Quantencomputeranalytik im Forschungszentrum Jülich, überzeugt: „Vielleicht werden wir in etwa sieben Jahren erste Einsätze in der Automobilbranche sehen, die aber noch nicht unbedingt eine Disruption darstellen werden.“ Ihm schwebt eher ein „Made by Quantum“ als echte Quantencomputer vor, etwa bei der intelligenten Routenplanung. Denkbar seien später auch Anwendungen, wenn es um die Schlüsselverteilung, sichere Telemetrie, OTA-Updates, anonymisierte Datenübermittlung und hochsichere Backend-Verbindungen geht.

Mehr Sicherheit durch Quanten-Kommunikation

„Bei dem Thema sollte man zwei Felder klar abgrenzen: Das eine ist die sichere Kommunikation und das andere ist das Netzwerk“, präzisiert der Experte. Wobei er Netzwerke zwischen Quantencomputern eher in weiter Ferne sieht. Näherliegend sei, dass man mit Quantentechnologie die aktuelle Kryptographie gegen künftige Angriffe von Quantencomputern schützen könne, indem man ein quantenphysikalisch sicheres Verfahren verwende. „Es bieten sich quantenmechanische Zufallszahlengeneratoren an, weil nur der Quantenzufall der echte Zufall ist“, erklärt Wilhelm-Mauch aus physikalischer Perspektive. Denn im Gegensatz zu klassischen Pseudo-Zufallszahlengeneratoren (PRNGs), die für Angriffe anfällig sein können, ist die Zufälligkeit bei einem Quantenzufallszahlengenerator (QRNG) intrinsisch und unvorhersehbar, was ihn für die Kryptographie sicherer macht.

Wilhelm-Mauch betont, dass die meisten Protokolle, auf die es im automobilen Bereich ankomme, sogenannte Schlüsselverteilungsprotokolle seien: „Das heißt, die Quantenkommunikation wird nicht dazu genutzt, eine verschlüsselte Nachricht zu schicken, sondern dazu, dass Sender und Empfänger einen Schlüssel aufbauen können, von dem sie wissen, dass diesen niemand anderes hat.“ Was durch die Gesetze der Quantenphysik abgesichert sei.

Denkbar ist demnach, auf diese Weise sichere Zufallszahlen in Steuergeräten zu generieren, indem QRNGs als kleine Chips in Hardware-Sicherheitsmodule integriert werden. Hersteller wie ID Quantique oder Fraunhofer IPMS entwickeln bereits Automotive-taugliche Varianten, die klassische Kryptografie durch echte Quantenentropie ergänzen könnten. Vorteil: So ließen sich heutige Verschlüsselungssysteme ohne große Systemänderungen sicherer machen.

Was ist Quantum Key Distribution?

Auch zwischen dem Backend und Fahrzeugflotten könnte Quantum Key Distribution (QKD) eingesetzt werden, um die Kommunikation zwischen Fahrzeug und Cloud, etwa bei OTA-Updates oder der Flottensteuerung, robuster aufzusetzen. So könnten Schlüssel über Glasfaser- oder Freiraumverbindungen verteilt werden, sodass Datenübertragungen selbst bei kompromittierten Servern vertraulich bleiben. Erste Testfelder existieren bereits im Rahmen des deutschen QuNET-Programms.

Noch experimenteller sind mobile Quantenverbindungen, etwa über Freiraumlaser zwischen fahrenden Autos. Forschende der University of Illinois haben das in Machbarkeitsstudien demonstriert. Die Herausforderung liegt in der Stabilität: Bewegung, Wetter und Erschütterung erschweren den Aufbau quantensicherer Links. Doch Fortschritte bei miniaturisierten Detektoren und adaptiven Optiken lassen hoffen.

Hohe Hürden fürs Quanteninternet

Hoffen heißt auch: Noch ist das Quanteninternet weit von einer automobilen Anwenndungen entfernt. „Die Technik ist teuer, empfindlich und erfordert aufwendige Infrastruktur. Nicht zuletzt ist diese Art der Schlüsselverteilung noch sehr langsam“, sagt Wilhelm-Mauch. Selbst stationäre QKD-Verbindungen in Glasfasern schafften derzeit nur wenige hundert Kilometer ohne spezielle Verstärker, sogenannte Repeater, wie man sie im Grunde vom heimischen WLAN her kennt. Das beißt sich mit den Anforderungen der Fahrzeugindustrie: Mobile Anwendungen müssen zudem extrem robust, miniaturisiert und kosteneffizient sein. Hinzu kommt der Mangel an Standards. Bevor eine Serienintegration möglich ist, braucht es verbindliche Protokolle und Schnittstellen. Immerhin: EU-Projekte wie die Quantum Internet Alliance oder EuroQCI arbeiten daran, ein europäisches Backbone für Quantenkommunikation zu schaffen – zunächst zwischen Rechenzentren, später auch zu mobilen Endpunkten.

Der nächste Schritt wird die Verbindung von KI mit der Quantentechnologie sein. Das Forschungszentrum Jülich, BMW, Mercedes-Benz, Volkswagen, Bosch und das DFKI haben bereits in 2021 gestarteten Projekten KI-Anwendungen für Quantencomputer getestet . Dabei geht es unter anderem darum, autonome Fahrzeuge kollisionsfrei durch den Verkehr zu lotsen oder Touren von Elektrobussen intelligent zu planen. Aber auch darum, flexible Produktionsabläufe in der Industrie 4.0 zu optimieren. Besonders hierbei sieht Wilhelm-Mauch am ehesten erste Einsätze in der Praxis, weil diese nicht extrem zeitkritisch sind.

Man sieht: Das Quanteninternet ist für die Branche keine ferne Utopie, sondern eine technologische Möglichkeit mit klaren Entwicklungspfaden. Kurzfristig wird es die bestehende Kryptografie stärken, mittelfristig Backend-Strukturen absichern und langfristig vielleicht das gesamte Kommunikationskonzept der Mobilität neu definieren. Denn sobald das Auto sicher mit einem Quantenlink kommuniziert, bricht eine neue Ära der abhörsicheren Mobilität an.