
Gemeinsame Entwicklung mit öffentlichem Code soll die Zukunft sein. (Bild: Harman)
Der Wandel zum Software-Defined Vehicle hat nicht nur die technologische Architektur im Auto verändert, sondern auch das Selbstverständnis vieler Entwicklungsabteilungen. Immer mehr Funktionen werden künftig nicht mehr als proprietäre Alleinstellungsmerkmale verstanden, sondern als „Commodity“, also als gemeinschaftlich genutzte Basis. Mit der Veröffentlichung seiner Connected Services-Plattform als Open Source trägt Harman diesem Wandel nun Rechnung.
Die Plattform ist Teil des Projekts Eclipse Connected Services Platform (ECSP) und richtet sich an Fahrzeughersteller, Flottenbetreiber sowie Drittentwickler. Ziel sei es, so Harman, die Entwicklung modularer, cloud-nativer Fahrzeugservices zu vereinfachen – etwa in den Bereichen Datenmanagement, Gerätekonnektivität, Nutzerverwaltung oder Streaming-Integration. Laut Unternehmensangaben könne ECSP bereits in der Serienproduktion für bis zu 100.000 vernetzte Fahrzeuge eingesetzt werden.
Offenheit als strategische Option
Die Entscheidung zur Open-Source-Freigabe könnte als strategischer Schwenk interpretiert werden: Weg von geschlossenen Silos, hin zu gemeinsamen Grundlagen, auf denen OEMs und Zulieferer differenzierende Anwendungen aufbauen können. Solche Plattformansätze seien – das legt auch die aktuelle Studienlage der Eclipse Foundation nahe – ein zunehmend relevanter Hebel, um Entwicklungsaufwände zu senken und Parallelarbeit zu vermeiden.
Harman ist seit 2024 Mitglied der Eclipse SDV Working Group, einem Zusammenschluss von Unternehmen, die gemeinsam an quelloffenen Softwarekomponenten für das Fahrzeug arbeiten. Diese Community verfolgt das Ziel, Grundlagenfunktionen zu standardisieren, die nicht länger als Wettbewerbsvorteil gelten, wohl aber als Voraussetzung für Innovationen im Bereich Nutzererlebnis, Konnektivität oder Over-the-Air-Updates.
Community-Building statt Einzelkämpfer
Mit der Veröffentlichung von ECSP könnte Harman dazu beitragen, eine Lücke zu schließen: Viele Open-Source-Projekte im Automobilkontext scheitern bislang nicht an mangelnder Codequalität, sondern an fehlender Community oder unklarer Verantwortlichkeit. ECSP bringe laut Eclipse Foundation wesentliche Bausteine mit – darunter Remote-Management, Fahrzeug-Telemetrie und Nutzerverwaltung –, die als Basis für eine nachhaltige Projektentwicklung dienen könnten.
Darüber hinaus betont Harman, sich auch aktiv in die Weiterentwicklung einzubringen – eine Haltung, die in der Community zunehmend erwartet wird. Denn der langfristige Erfolg quelloffener Automobilsoftware hängt nicht nur vom Code, sondern vor allem von der Bereitschaft der Unternehmen ab, Verantwortung zu übernehmen: für Wartung, Dokumentation, Sicherheit und Compliance.
Ein Beispiel für den strukturellen Wandel
Mit ECSP reiht sich Harman in eine Reihe von Akteuren ein, die Open Source nicht mehr als Experiment, sondern als strategisches Element in der Softwarearchitektur verstehen. Unternehmen wie BMW oder Elektrobit verfolgen ähnliche Ansätze und erproben die Integration von Open-Source-Komponenten auch in sicherheitskritischen Bereichen.
Die Entwicklung zeigt: Die Automobilindustrie beginnt, das Potenzial gemeinschaftlicher Softwareentwicklung nicht nur zu erkennen, sondern auch umzusetzen – mit allen Herausforderungen, die dieser Kulturwandel mit sich bringt. Dass Harman mit ECSP frühzeitig Verantwortung übernimmt, könnte ein Signal für weitere Marktteilnehmer sein, diesem Weg zu folgen.