Roboter sitzt neben Mensch

Mitarbeiter in der deutschen Industrie glauben nicht, dass ihnen Kollege Roboter mehr Innovation und Kreativität bescheren kann. (Bild: Adobe Stock / Katrin_Primak)

Täglich schallt es durch den Medienwald: „KI, insbesondere die generative KI wird alle Arbeits- und Anwendungsbereiche erobern“. Viele Projekte wurden bereits mehr oder minder erfolgreich abgeschlossen. Eine Gartner-Umfrage in den USA, Deutschland und Großbritannien ergab, dass 29 Prozent der Unternehmen bereits GenAI einsetzen. Damit ist diese Technologie die am häufigsten eingesetzte KI-Lösung. Insofern zeigen die großen Anstrengungen auf diesem Gebiet bereits erkennbare Ergebnisse.

Während in den oberen Etagen die KI-Euphorie weiterhin anhält, ist die Situation und die Einschätzung über diese Technologie bei den betroffenen Mitarbeitern deutlich anders. Gartner hat hierzu eine Untersuchung durchgeführt und kommt zu dem Ergebnis, dass es nicht nur Bedenken, sondern regelrechte Ängste gibt. Das betrifft vor allem die Sorge um den Erhalt des Arbeitsplatzes. Aber auch die einfache Nutzung dieser Technologie wird skeptisch gesehen. „Falsche Ergebnisse, mangelnde Transparenz der Algorithmen sowie eine Rechtsunsicherheit bezüglich der genutzten Daten könnten eher schaden als nutzen“, sagt Gartner-Direktor Duncan Harris über die Bedenken bei den Beschäftigten.

KI in der Autobranche: Hohe Erwartungen

Die Einschätzungen und Umfrageergebnisse von Gartner beziehen sich auf alle Branchen in den oben genannten Ländern. Wie aber steht es damit in Deutschland, speziell in der Automobilbranche? Auch hier ist der Einsatz von GenAI bereits weit fortgeschritten. Eine Studie von Capgemini kommt zu dem Ergebnis, das 73 Prozent der Unternehmen aus der Autobranche, den Einsatz von GenAI planen oder nutzen. Andere Beratungsunternehmen berichten von ähnlichen Ergebnissen. Capgemini meldet, dass fast 70 Prozent aller Führungskräfte den größten potenziellen Nutzen generative KI als Innovations-Enabler in allen Funktionen sehen. Das reicht vom Vertrieb, Marketing und Kommunikation bis hin zu virtuellen Assistenten im Vertrieb und im Kundenservice. Elmar Pritsch, Partner und Global Lead Software-Defined Vehicles bei Deloitte kann die Produktivität bereits quantifizieren: „Im Idealfall könnte sich die Entwicklungszeit zukünftig halbieren“, lautet seine Einschätzung.

Erwartungen versus Realität – das sagen die Mitarbeiter

Soweit die Pläne und Einschätzungen der Unternehmen und der Beratungshäuser. Microsoft ist jetzt mit dem Marktforschungsinstitut Civey der Frage nachgegangen: Was wissen und denken die Mitarbeiter über KI? Hierzu wurden 2.000 White Collar-Beschäftigte in verschiedenen Branchen befragt, darunter auch in der Automobilbranche. Die Antworten haben es in sich! Besonders deutlich wird das bei der Einschätzung über die Bedeutung der KI auf den Gebieten Innovation und Kreativität. Auf die Frage Was kann, oder könnte durch künstliche Intelligenz an Ihrem Arbeitsplatz am meisten gefördert oder unterstützt werden? antworteten nur 1,8 Prozent der Mitarbeiter der Autobranche, dass KI den Innovationsprozess unterstützen kann. Bei der Kreativität sind es sogar nur ein Prozent.

Auch über alle deutschen Branchen hinweg sind die Antworten ernüchternd. Nur 5,6 beziehungsweise 3,6 Prozent meinen, dass KI die Innovationen oder die Kreativität fördern kann. Dagegen meinen 36 Prozent, dass KI ihre Arbeit überhaupt nicht unterstützen kann. In der Autobranche sind es 15,6 Prozent, die sich nicht vorstellen können, dass KI sie irgendwo unterstützen könnte. Das ist fast so viel, wie die Einschätzung bei der Verbesserung des Zeitmanagements durch KI (15,8 Prozent).

Auch bei der Nutzung von KI sind die Antworten der Automobil-Mitarbeiter deutlich schwächer als die allgemein verbreiteten Zahlen. Nur magere 6,6 Prozent nutzen täglich KI-basierte Anwendungen, wie Übersetzung, Texterstellung oder Datenanalyse. Fast die Hälfte (49,3 Prozent) nutzt solche Programme dagegen selten oder nie. Diese Ergebnisse decken sich weitgehend mit dem Bundesdurchschnitt (8,8 Prozent, bzw. 51,8 Prozent). Und sie sind auch nicht sonderlich weit weg von der Kategorie Industrie, Produktion und verarbeitendes Gewerbe (IPvG) (10 Prozent, bzw. 42,9 Prozent) sowie der Logistik (9 Prozent, bzw. 51,7 Prozent).

Balkendiagramm
Für Mitarbeitende in der Autoindustrie besteht der mit Abstand größte Vorteil in der Erhöhung der Produktivität. (Bild: Microsoft / Civey)

Übereinstimmungen mit dem Management gibt es dagegen bei der Beurteilung der Produktivität. So meinen 61,1 Prozent der Mitarbeiter in der Autobranche, dass KI die Produktivität fördern kann. Das ist ein vergleichsweise hoher Wert. So sind die Mitarbeiter in der Kategorie IPvG deutlich skeptischer. Hier ist der Wert mit 29,8 Prozent nicht einmal halb so hoch. In der Logistik sind es sogar nur 26,8 Prozent. Der deutsche Mittelwert liegt mit 27,5 Prozent zwischen den zuletzt genannten Branchen.

Fehlendes KI-Wissen ausschlaggebend

Dass bei den Mitarbeitern in der Autobranche die KI-Skepsis so groß ist, liegt möglicherweise auch daran, dass das Wissen sehr rudimentär ist. So meinen nur 29,9 Prozent, dass sie über ein gutes KI-Wissen verfügen. 41 Prozent sind dagegen der Ansicht, dass ihr Wissen schlecht sei. Dieser Wert liegt etwa gleichauf mit dem deutschen Gesamtdurchschnitt (31,9 Prozent gut, 44 Prozent schlecht). Doch im Vergleich mit der IPvG-Branche sind die Zahlen deutlich schlechter. Hier geben 34 Prozent an, dass sie über ein gutes KI-Wissen verfügen. Besser ist man dagegen im Vergleich mit der Logistik-Branche. Hier stufen nur 14 Prozent ihr KI-Wissen mit gut ein, 55,6 Prozent meinen dagegen, dass ihr Knowhow schlecht sei.

Das Management ist gut beraten, sich intensiv mit der divergierenden Einschätzung über die KI-Möglichkeiten zu beschäftigen. Gartner empfiehlt dringend das Wissen und die Möglichkeiten von KI in Form weitreichender Mitarbeiterschulung zu verbessern. „Helfen Sie den Mitarbeitern, die Technologie zu verstehen, beispielsweise wie KI funktioniert, wie Prompts erstellt werden und wie man KI-Ergebnisse auf Voreingenommenheit oder Ungenauigkeiten prüfen kann“, lautet der Rat von Duncan Harris.

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