
Noch ist unklar, welche Auswirkungen Deepseek auf die Autoindustrie haben wird. (Bild: Adobe Stock / Mahemud / Deepseek)
Ein Chatbot aus China schockt die Wall Street: Panische Anleger haben den Börsenwert des Chip-Konzerns Nvidia an einem Tag um fast 600 Milliarden Dollar einbrechen lassen. Auslöser war die Erkenntnis, dass Software mit Künstlicher Intelligenz möglicherweise mit viel weniger Rechenleistung - und damit auch Chips von Nvidia - trainiert werden kann als man bisher dachte. Denn das chinesische Start-up DeepSeek will sein neues KI-Modell mit Kosten von weniger als sechs Millionen Dollar und auf wenigen abgespeckten Nvidia-Chipsystemen angelernt haben. Inwiefern diese Informationen überhaupt korrekt sind, ist derzeit noch offen.
Ebenso gibt es momentan noch keine öffentlich bekannten Kooperationen zwischen DeepSeek und Automobilherstellern. „Der einzige öffentliche Bezug zur Automobilbranche ist, dass TuanChe – ein bekannter Online-Marktplatz für Automobile in China – beschlossen hat, die Anwendung von DeepSeek im Bereich holografische KI zu nutzen", sagt Pedro Pacheco von der Unternehmensberatung Gartner gegenüber automotiveIT.
„Es ist noch nicht sicher, wer dieses Rennen gewinnt"
Sollten sich die Aussagen von DeepSeek jedoch als richtig erweisen, hätte dies eine hohe strategische Bedeutung für die Automobilindustrie, so Pacheco. Zum einen sei das Modell von DeepSeek Open Source, was bedeute, dass es prinzipiell einfacher von Automobilherstellern und Technologieunternehmen, die mit ihnen zusammenarbeiten, übernommen werden könne. Gleichzeitig zeige dies, dass es nun ein echtes Rennen um die Vorherrschaft im Bereich der KI zwischen den USA und China gebe.
„Europäische Automobilhersteller können es sich daher nicht leisten, chinesische Technologieanbieter zu ignorieren, da noch nicht sicher ist, wer dieses Rennen gewinnen wird", stellt Pacheco klar. Außerdem, ähnlich wie bei der Fahrzeugsoftware, müssten europäische OEMs, die bei KI führend sein wollen, das Zentrum ihrer KI-Kompetenzen an den Ort verlagern, an dem voraussichtlich das beste KI-Talent und die besten Technologieanbieter sein werden – und das bedeute höchstwahrscheinlich die USA oder China, schlussfolgert der Experte.
Was können die USA mit besseren Chips schaffen?
Aber was bedeutet das alles nun für die Zukunft? Amerikanische Firmen übertrafen sich zuletzt mit Ankündigungen, wie viel Geld sie in KI-Infrastruktur stecken wollen. Allein der ChatGPT-Erfinder OpenAI und mehrere Partner versprachen, in den kommenden Jahren 500 Milliarden Dollar in Rechenzentren zu investieren. Beim Facebook-Konzern Meta stellte Gründer Mark Zuckerberg 60 Milliarden Dollar nur in diesem Jahr in Aussicht. Zeigt DeepSeek nun aber, dass man mit deutlich weniger Rechenpower auskommen wird?
US-Experten wollen es lieber andersherum sehen. Die Frage sei nicht, ob DeepSeek heutige Marktführer in den USA überholen könne, betonte etwa X. Eyeé von der KI-Beratungsfirma Malo Santo. Es gehe viel mehr darum, wie schnell man die Forschungsansätze der Chinesen umsetzen könne. „Wenn DeepSeek das mit alter Hardware entwickeln kann, was können wir dann mit neuerer Hardware schaffen?", fragte sie im US-Sender CNBC.
Wer steckt hinter Deepseek?
Die Firma wurde 2023 vom Hedge-Fonds-Manager Liang Wenfeng gegründet – und soll sich ein Paket von Nvidia-Chips gesichert haben. Deepseek setzt auf Open-Source-Modelle, bei denen der Quellcode öffentlich einsehbar ist. Die Daten werden auf Servern in China gespeichert. Der chinesischen Regierung nicht genehme Informationen, etwa zum Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989, werden vom Chatbot unterschlagen. Dass Deepseek auf Platz eins im US-App-Store für das iPhone aufstieg, hat deswegen angesichts des harten Vorgehens gegen Tiktok eine besondere Ironie.
mit Material der dpa