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Apple findet jetzt auch auf dem Tacho statt. (Bild: Apple)

Mit der Einführung von Car Play Ultra verschärft sich der Wettbewerb um die digitale Schnittstelle im Auto. Apple dringt mit der neuen Version seines Infotainmentsystems weit tiefer in die Fahrzeuginfrastruktur vor als bisher – bis hinein ins digitale Kombiinstrument, zu den Anzeigen für Assistenzsysteme und in die Steuerung von Klima und Radio. Für OEMs stellt sich damit eine zentrale Frage: Geben sie einen Teil der Kontrolle über das Nutzererlebnis und die Datenhoheit an einen Tech-Giganten ab – oder riskieren sie, den Kunden aus dem Blick zu verlieren?

Pedro Pacheco, Vice President Analyst bei Gartner, sieht die Branche an einem Scheideweg. Während einige Automobilhersteller bereits Infotainmentsysteme entwickelt haben, die besser“ funktionieren als Apple Car Play, hängt der Großteil noch hinterher. Manche OEMs verlangen für Funktionen Geld, die Apple kostenlos bietet. Andere bieten schlicht die schlechtere UX“, erklärt Pacheco. Für diese Gruppen sei die Entscheidung schwierig: Entweder sie investieren massiv in eigene Softwarekompetenz – oder überlassen das Feld freiwillig externen Anbietern.

Kann man sich Car Play verweigern?

Mit Car Play Ultra wird diese Entscheidung noch relevanter, denn die Software ersetzt große Teile der nativen Fahrzeugbedienung. Laut Pacheco erhöht das nicht nur die Abhängigkeit von Apple, sondern zwingt Hersteller auch zu doppeltem Aufwand: Sie müssen ihr eigenes System weiterentwickeln und gleichzeitig Car Play Ultra integrieren. Zwar bietet Apple an, markenspezifische Designs zu entwickeln. Doch wie individuell diese wirklich sind, bleibt fraglich. Einige Screens zeigen weiterhin typische Apple-Elemente wie die seitliche Icon-Leiste – das schränkt die Markenanpassung deutlich ein“, so Pacheco.

Dennoch können sich nicht alle OEMs leisten, auf Apple zu verzichten. Nur wer ein wirklich starkes, eigenes Infotainmentsystem bietet, kann Car Play Ultra selbstbewusst ablehnen“, meint der Gartner-Experte. In Einzelfällen habe sich das bereits als erfolgreicher Weg erwiesen – bestätigt durch unabhängige Nutzerumfragen.

Die Entscheidung pro oder contra Apple sei dabei weniger eine Frage von Marktsegment oder Region, sondern von technologischem Können. Wenn ein OEM das Knowhow hat, ein konkurrenzfähiges System zu bauen, sollte er das tun. Wenn nicht, ist Outsourcing die bessere Wahl.“ Und Apple sei dabei nur eine von mehreren Optionen.

Der große Vorteil der Tech-Firmen

Die Hoffnung auf ein drittes Ökosystem jenseits von Apple und Google sieht Pacheco derzeit skeptisch. Zwar gebe es Open-Source-Initiativen und neue Player wie Huawei mit HarmonyOSvor allem im chinesischen Markt. Doch außerhalb dieses Kontexts dominieren Google (mit Android Automotive) und Apple (über Phone-Mirroring) das Feld. Der Grund: Techfirmen können Apps und Features vom Smartphone mühelos ins Auto übertragen – das ist ein riesiger Vorteil gegenüber OEMs und Tier-1-Zulieferern.“

Auch die Sicherheit ist ein Thema. Wenn Car Play Ultra künftig auch sicherheitsrelevante Anzeigen wie ADAS-Visualisierungen übernimmt, könnten im Fehlerfall Haftungsfragen entstehen. Pacheco verweist auf bekannte Probleme mit der Stabilität von Phone-Mirroring-Apps – etwa das plötzliche Verschwinden der Navigation während der Fahrt. Ob Apple diese Schwachstellen mit Ultra behebt, scheint bislang unklar.

Und wie sollten OEMs mit der wachsenden Spannung zwischen Kundenerwartungen und strategischen Interessen umgehen? Für Pacheco liegt der Schlüssel in der Softwarequalität. Ein Hersteller, der in Software wirklich gut ist, braucht Apple nicht. Wer es nicht ist, muss sich externe Hilfe holen – Apple ist dann nur eine von mehreren Optionen.“

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