ESG-Reporting

Wie funktioniert datengetriebener Umweltschutz?

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Mercedes-Benz stellt sechs Fokusfelder der Nachhaltigkeit vorMercedes-Benz presents six sustainability focus areas
Autobauer wie Mercedes-Benz setzen unter anderem auf KI, um die mannigfaltigen ESG-Anforderungen im Blick zu behalten.

Effektiv, transparent, messbar – so sollten Nachhaltigkeitsinitiativen sein. Das muss sich im Reporting spiegeln, auch um strenge Standards zu erfüllen. Dabei könnten digitale ESG-Plattformen helfen.

Digitale ESG-Plattformen im Automobilbereich unterstützen dabei, Umwelt-, Sozial- und Governance-Anforderungen (ESG) zu erfüllen – und darüber transparent zu berichten. Denn das ist eine Aufgabe für sich: „Ob Batterieverordnung (BattVO), Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM), EU-Entwaldungsverordnung (EUDR), Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), European Sustainability Reporting Standards (ESRS) oder das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) – ohne den gezielten Einsatz von IT-Lösungen wäre die rechtskonforme Umsetzung dieser Vorgaben kaum möglich“, bemerkt eine Sprecherin von Mercedes-Benz.

So hilft IT beim ESG-Reporting

Wer ESG-Reporting als IT-Projekt begreift, kann den immensen Aufwand drastisch reduzieren und nachhaltiger Fahrzeuge entwickeln. Automobilhersteller und Zulieferer nutzen diverse Plattformen, um ihre ESG-Leistung zu verbessern, etwa über digitale Tools zur Lieferkettenüberwachung oder IT-Lösungen, die bei der Einhaltung von ESG unterstützen.

„IT-Lösungen und KI sind entscheidend dieser Komplexität Herr zu werden“, heißt es aus Untertürkheim. Mercedes-Benz setze insbesondere auf Tools, die bei der Risikobewertung von Lieferanten unterstützen, indem sie beispielsweise Lieferantendaten mit extern verfügbaren Risikodaten und -indizes matchen, Medien auf Hinweise auf menschenrechtliche oder umweltbezogene Risiken untersuchen.

🔍 ESG in der Autoindustrie – Die wichtigsten Regeln

🌍 Umwelt (Environmental)

  • EU-Taxonomie: Nachhaltigkeitskriterien für Produktion & Produkte
  • CO2-Flottengrenzwerte: Strenge Emissionsziele für Pkw & Nutzfahrzeuge
  • CBAM: CO2-Zölle auf emissionsintensive Importe
  • BattVO (EU-Batterieverordnung): Anforderungen an CO2-Fußabdruck, Rezyklatanteile & Kennzeichnung

👥 Soziales (Social)

  • LkSG (Deutschland): Menschenrechte & Umweltstandards in der Lieferkette
  • CSDDD (EU): Erweiterte Sorgfaltspflichten für alle großen Unternehmen

🏛️ Unternehmensführung (Governance)

  • CSRD & ESRS: Pflicht zur ESG-Berichterstattung nach EU-Standards
  • Wesentlichkeitsanalyse: Fokus auf relevante Nachhaltigkeitsthemen

Mercedes-Benz setzt auf KI-Automatisierung

KI böte dabei eine wertvolle Unterstützung: „Sie kann eine automatisierte, datengetriebene Analyse großer Informationsmengen ermöglichen, Muster und Hochrisikogebiete erkennen und im Zusammenspiel mit Nachhaltigkeitsexperten gezielte Maßnahmenempfehlungen ableiten“, so die Sprecherin, „Die strategische Entscheidungsfindung bleibt jedoch in der Verantwortung erfahrener Fachkräfte.“ Ein zentraler Aspekt der ESG-Compliance sei die Umwandlung unstrukturierter Daten in strukturierte Daten: „Unternehmen müssen zunächst verstehen, welche Daten aus den verschiedenen Regulatoriken gefordert werden.“

Ein Beispiel sind die European Sustainability Reporting Standards (ESRS), die detaillierte Anforderungen auf fast 300 Seiten enthalten. Unternehmen müssen hunderte Datenpunkte, differenziert nach quantitativen und qualitativen Kriterien, identifizieren und berichten. „Unternehmen stehen vor der Herausforderung, diese Regulatorik zu analysieren, in Datenanforderungen herunterzubrechen und relevante Daten zu identifizieren“, so die Sprecherin, „Diese sind oft in verschiedenen Quellsystemen verstreut und liegen teils strukturiert oder unstrukturiert in Excel-Dateien, E-Mails und anderen Formaten vor.“ Hier kommen IT-Lösungen für automatisiertes ESG-Reporting ins Spiel, etwa zentrale Datenplattformen mit Anbindung an ERP-Systeme (wie SAP Sustainability Control Tower), die die richtigen ESG-Daten zur richtigen Zeit in auditierbarer Qualität liefern.

BMW profitiert von Catena-X

Bei der BMW Group setzt man zunehmend auf das Datenökosystem Catena-X. Außerdem nutzt der Autobauer KI-basierte Tools zur automatischen Aggregation von CO2-Daten je Werk und Produktionslinie. Bislang werde hier vorrangig mit Durchschnitts-Datenbanken der Industrie gearbeitet, wodurch CO2-senkende Maßnahmen oft nicht richtig abgebildet werden können, so eine Sprecherin des OEM.

In einem Pilotprojekt hat BMW gemeinsam mit Partnern basierend auf Primärdaten den Product Carbon Footprint (PCF) entlang des gesamten Wertschöpfungsprozesses eines Bauteils mit Hilfe von Catena-X berechnet. Außerdem haben die Bayern eine interne Datenplattform für CO2-Realdaten entwickelt und diese Standards in die Catena-X Arbeitsgruppe eingebracht, so dass besser nachvollzogen werden kann, welche Effekte einzelne Maßnahmen haben.

Intelligente PLM-Systeme denken ESG mit

„Viele Fahrzeugingenieure haben das Thema CO2-Kennzahlen noch nicht hinreichend auf dem Schirm, weil für sie die Funktion im Vordergrund steht“, bemerkt Michele Del Mondo, Senior Director Global Advisor Automotive bei PTC, „Dabei lässt sich bereits in der Konstruktion der Carbon-Footprint senken.“ Etwa, indem alle Materialien und Bauteile auf ihre Treibhausgasemissionen hin abgeklopft werden und ein Tool alternative Materialen mit gleichen oder besseren Eigenschaften vorschlägt, die aber umweltfreundlicher sind.

Hilfreich sind auch PLM-Systeme, die automatisch den CO2-Fußabdruck aller Bauteile entlang der gesamten Lieferkette aufaddieren, um so valide Zahlen zu erhalten. „Indem PLM den nahtlosen Austausch von Informationen und den Aufbau eines Digital Threads im gesamten Unternehmen ermöglicht, hilft es, nachhaltigere Produkte zu konstruieren“, sagt Del Mondo. Denn PLM sorgt für die Verwaltung aller produktbezogenen Daten in einer zentralen Datenbank (Single Source of Truth). „Ein tiefer, automatisiert gewonnener Einblick entlang der gesamten Wertschöpfungskette, inklusive vor- und nachgelagerter Emissionsquellen, ist keine Zukunftsmusik mehr“, betont Del Mondo. Etliche der dafür notwendigen Daten liegen vor. „Sie müssen nur sichtbar gemacht und zusammengeführt werden“, unterstreicht der Experte.

Boschs Einkauf fokussiert Product Carbon Footprint

Das weiß man auch bei Bosch. „Für das Fahrzeug-Engineering ist die Integration von CO2-Informationen aus Lieferkettendaten unerlässlich“, sagt Niels Hoffmann, Digitalisierungsexperte für Nachhaltigkeit im Einkauf vom Unternehmensbereich Bosch Mobility. Daher erhebt bei Bosch der Einkaufsbereich bei Einkaufsentscheidungen und für Serienteile den PCF der Zukaufteile und Materialien bei den direkten Lieferanten über eine IT-Plattform. Hoffmann: „Die weitere Verarbeitung erfolgt in den eigenen IT-Systemen und fließt in die Berechnung des PCF des eigenen Produkts für die Meldung an Kunden ein.“ Bosch setze zudem auf eine aktive Beteiligung seiner Lieferanten bei CDP (Carbon Disclosure Project) und SBTi (Science Based Target Initiative), über die Bosch entsprechende Nachhaltigkeitsdaten bezieht.

„Wir setzen in Einkauf und Logistik konsequent auf funktionsübergreifende End-to-End-Prozesse“, berichtet Hoffmann, „Wobei ein wichtiges Element ein durchgängiger, elektronischer Datenaustausch ist, der mit ins ESG-Reporting einfließt.“ Etwa beginnend bei Lieferanten mittels der Digitalplattform SupplyOn über Bosch-Werke bis hin zu Kunden.

Allerdings stoßen automatisierte Tools an Grenzen: „Sie können definierte Regeln prüfen, aber nicht den gesamten Kontext erfassen“, heißt es bei Mercedes. Ein Beispiel: Wenn in den Medien über einen Arbeitsunfall bei einem Lieferanten berichtet wird, kann ein IT-Tool diesen Vorfall als Hinweis auf einen potenziellen LkSG-Verstoß an Mercedes melden. Ob es sich dabei jedoch tatsächlich um ein Fehlverhalten des Lieferanten handelt – etwa aufgrund mangelhafter Sicherheitsvorkehrungen – oder ob der Vorfall auf individuelles Fehlverhalten eines Mitarbeitenden zurückzuführen ist, muss im Einzelfall eine fundierte Prüfung durch Fachexperten klären.