Seit 200 Jahren beweist sich wieder und wieder, dass dezentrale, offene Systeme bessere Ergebnisse liefern als zentralistisch organisierte. Demokratische Regierungen, offene Märkte und sogar ganze Produktions-Ökosysteme sind Musterbeispiele dafür. Aber auch in anderen Sektoren verändert sich einiges. Auch im Bildungssektor findet gerade eine kleine Revolution statt. Um in der globalisierten und digitalisierten Realität weiter in der Champions League mitspielen zu können, oder gar weltmeisterlich das neue Territorium fruchtbar zu machen - ohne die sozial-marktwirtschaftlichen Errungenschaften über Bord zu werfen - möchte ich alle Akteure und Akteurinnen der europäischen Mobilitätswirtschaft einladen, gemeinsam und auf meritokratischer Augenhöhe Open Innovation und Open Education zu betreiben.
Mit der 42 Wolfsburg / Berlin haben wir einen neutralen Schmelztiegel geschaffen, um die nächste Generation von Automobil- sowie Software-Ingenieuren an den digitalen Produktionsmitteln auszubilden. Dank unseres offenen Curriculums fördern wir die Kooperation zwischen den Beteiligten und verbessern produktive Beziehungen sowohl zwischen den heutigen Expert*innen als auch unter den Studierenden an sich.
In Wolfsburg haben wir Expert*innen aus Industrie und Wissenschaft eingeladen, die wirklichen Herausforderungen aus der angewandten Forschung und Entwicklung in Lernprojekte zu übersetzen. Da die Resultate Open Educational Resources sind, können alle Beitragenden – und sogar Ihre Kolleg*innen aus Korea und andere Partner*innen der offenen Gesellschaft – die Trainings in ihren Aus- und Weiterbildungsprogrammen anpassen und nutzen. So schaffen wir gemeinsam Kompetenz und interoperable Lösungen.
Open Source könnte zur Pipeline für IT-Talente werden
Vor einigen Tagen hat die 42 Wolfsburg / Berlin eine strategische Partnerschaft mit dem Software-defined Vehicle (SdV) Programm der Eclipse Foundation begonnen. Wir glauben fest an das Potential, wenn Unternehmen aus unterschiedlichen Industrien wie unter anderem Volkswagen, Mercedes, Microsoft, Bosch, und T-Systems gemeinsam eine Open Source Plattform für die Entwicklung und das Betreiben der nächsten Generation digitaler Droschken beziehungsweise multimodaler Mobilitätsökosysteme entwickeln.
In unserer Partnerschaft wollen wir dafür sorgen, dass die SdV Lösungen durch offene Lernmaterialien schnell und effektiv zu einer Talent Pipeline führen. Da die 42 für jeden - unabhängig des Schulabschlusses - zugänglich ist und der Ansatz durch unsere Werte speziell für Frauen und andere diverse Gruppen attraktiv ist, sind wir überzeugt, dass die 42er mittelfristig zu einer bunteren und damit resilienteren und produktiveren Automotive-IT beitragen werden.
Lasst mich zum Schluss ganz offen sein: In Deutschland wurden die ersten Computer und Hochgeschwindigkeitszüge entwickelt - doch wir haben es verschlafen, diese Pole-Position zu nutzen und sind industriell mehr oder weniger irrelevant geworden. Wenn wir den Paradigmenwechsel von Otto-Motor zur digital-vernetzten Mobilität schaffen wollen, müssen wir die agilen Erfolgsfaktoren der Internet-Entwicklung – Open Standards, Open Source und Open Education – aufgreifen. Dann sind wir bestens aufgestellt, um zwischen den asiatischen und amerikanischen Akteuren eine vernünftige, also vermittelnde, Führungsrolle einzunehmen.
Max Senges im Podcast Nagel/Tiedemann
Zur Person:
Max Senges ist CEO & Headmaster der Coding-Schulen 42 Wolfsburg und 42 Berlin. Zuvor arbeitete er 10 Jahre lang bei Google in den Bereichen Forschungspartnerschaften und Internet Governance, wo er in Partnerschaft mit u.a. Carnegie Mellon, Cornell Tech und Stanford Googles IoT R&D Expedition aufbaute und leitete. Er denkt und arbeitet leidenschaftlich an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Privatsektor, Internetpolitik, Innovation, Kultur und Technologiephilosophie.