
Cloud-Technologie ist in Europas Industrie allgegenwärtig – der Ausstieg aus der Abhängigkeit von US-Hyperscalern bleibt jedoch eine Herausforderung. (Bild: Adobe Stock / peshkov)
Die europäische Industrie möchte ihre Abhängigkeit von den Dienstleistungen amerikanischer Technologiekonzerne verringern, doch unter IT-Dienstleistern herrscht wenig Hoffnung, dass dies in absehbarer Zeit gelingt. „Es ist zu spät“, sagte Alexandra Muelders, Senior Executive beim Kölner IT-Unternehmen Datagroup. Diese Aussage spiegelt ein branchenweites Bewusstsein wider, dass Cloud-Dienste von US-Tech-Giganten ein integraler Bestandteil effizienter Unternehmensprozesse geworden sind.
Auf einer Veranstaltung des Beratungs- und Marktforschungsunternehmens Lünendonk betonten Experten kürzlich, dass globale Unsicherheiten und unberechenbare US-Handelspolitik das Risikobewusstsein in Bezug auf die Abhängigkeit von US-Technologien geschärft haben. „Made in Germany hat wieder Relevanz“, sagte Mario Zillmann, Partner bei Lünendonk. Er ergänzte, dass „digitale Souveränität“ derzeit ein zentrales Thema sei.
Der steinige Weg zur digitalen Souveränität
„Die Frage ist, wie viel Souveränität man für was braucht, aber viele Unternehmen wollen definitiv ein Stück mehr davon“, sagte Marcus Metzner, Chief Marketing Officer beim deutschen IT-Dienstleister Arvato Systems, der auf digitale Transformation spezialisiert ist.
Europäische Industrieunternehmen wissen sehr wohl, dass sogenannte Hyperscaler – große US-Technologiekonzerne wie Google, Amazon und Microsoft – durch massive Investitionen Cloud-Dienste anbieten können, die potenziellen lokalen Wettbewerbern deutlich voraus sind. „Man kann sich nicht von den Hyperscalern abwenden“, sagte Zillmann. „Die Abhängigkeit wird in den nächsten Jahren nicht verschwinden.“
Langfristig könnte sich das jedoch ändern – insbesondere wenn der öffentliche Sektor verstärkt Druck auf IT-Dienstleister ausübt, ihre Abhängigkeit von amerikanischen Anbietern zu reduzieren. Laut Lünendonk ist der öffentliche Sektor, der sich besonders um Datensicherheit sorgt, der größte Einzelkunde für IT-Dienstleistungen.
Autobranche hat Erfahrungen mit Abhängigkeit
Die deutsche Autoindustrie hat gelernt, dass Überabhängigkeit gefährlich ist. Noch vor wenigen Jahren erwirtschafteten deutsche Automobilhersteller ihre Gewinne fast ausschließlich auf dem chinesischen Markt. Mit dem Auftreten ernstzunehmender inländischer Konkurrenten stehen sie dort nun unter Druck. Ähnlich verlor die deutsche Industrie an Wettbewerbsfähigkeit, als sie sich nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 nicht mehr auf günstiges russisches Gas verlassen konnte.
Nun wächst die Sorge, dass eine zu große Abhängigkeit von US-Technologie ebenfalls negative Folgen haben könnte – insbesondere, wenn Handelskonflikte unter US-Präsident Donald Trump eskalieren und dadurch IT-Dienstleistungen beeinträchtigt werden könnten.
IT-Branche bleibt optimistisch
Nach einem Jahr mit vergleichsweise schwachem Wachstum von 2,6 Prozent rechnen IT-Dienstleister in Deutschland mit einem Anstieg um 7,1 Prozent in diesem Jahr und 10,4 Prozent im Jahr 2026 – trotz großer struktureller Probleme in der Automobil- und weiteren Branchen. „Der Optimismus ist nach wie vor da“, sagte Zillmann. „Der Druck zur digitalen Transformation bleibt hoch.“ Die verantwortlichen CIOs stünden vor der Herausforderung, gleichzeitig Kosten zu senken, digitale Innovation voranzutreiben und als Enabler für das Geschäft zu agieren. „Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels gelingt dieser Spagat häufig nur mit externer Unterstützung.“ Nahezu alle von Lünendonk befragten IT-Unternehmen nannten Cybersecurity und Datensicherheit als wichtigste Prioritäten für die nächsten zwei Jahre.
Weitere zentrale Themen seien die IT-Modernisierung, Prozessautomatisierung und der Aufbau durchgängiger Prozessketten. Die Unternehmen sehen großes Potenzial für künstliche Intelligenz – vor allem in den Bereichen Cybersicherheit, Dokumentation, Wissensmanagement und Software-Testing.