3D scanner for reverse engineering

Statt auf Grundlage eines 3D-Modells Produkte zu entwickeln, verfolgt das Reverse Engineering einen umgekehrten Ansatz. (Bild: Adobe Stock / scharfsinn86)

Ob Kostenersparnis, optimale Lage oder bessere Ökobilanz und geringerer Flächenverbrauch: Die Entscheidung für einen Brownfield-Ansatz im Bereich Digitalisierung und Automatisierung hat für jedes Unternehmen individuelle Gründe. Je nachdem, wie traditionsreich die Maschinen am Produktionsstandort tatsächlich sind, kann dies jedoch große Herausforderungen mit sich bringen. Industriemaschinen können ebenso wie Fahrzeuge ihrer eigenen Lebenserwartung trotzen und zum Problem in der Instandhaltung werden. Was tun, wenn Ersatzteile nicht mehr produziert werden oder Fachkräfte mit dem nötigen Knowhow für Reparaturen nicht (mehr) zur Verfügung stehen?

Eine mögliche Lösung ist Reverse Engineering, auch Back-Engineering oder Rückwärtsentwicklung genannt. Hinter diesem Begriff versteckt sich die gründliche Analyse eines fertigen Produkts, um dessen Struktur, Funktionsweise und Herstellungstechniken zu verstehen. Dies geschieht häufig durch Zerlegen des Produkts und detaillierte Untersuchung seiner Einzelteile. Ziel dabei ist es, die technischen Daten und Designprinzipien zu rekonstruieren, die ursprünglich zur Herstellung des Produkts verwendet wurden.

Wie funktioniert Reverse Engineering?

Wie nahezu alle anderen Prozesse in der Automobilfertigung wird auch Reverse Engineering durch den Einsatz technischer Innovationen deutlich erleichtert. Zahlreiche Unternehmen bieten das Erstellen einer Punktwolke per 3D-Scanner sowie die nachfolgende Erstellung eines CAD-Modells beziehungsweise eines Digital Twins. Zudem wird auf Software-Unterstützung gesetzt, um mögliche Abweichungen im digitalen Modell auszubessern oder aber den Originalzustand eines beschädigten Teiles zurückzuverfolgen. Auf der anderen Seite wird Reverse Engineering ebenso eingesetzt, um Entwicklungsprozesse mittels generativer KI zurückzuverfolgen und zu verifizieren.

Was ist ein CAD-Modell?

Mensch mit CAD
(Bild: BMW)

CAD-Modelle (Computer-Aided Design) sind digitale Darstellungen etwa von Fahrzeugteilen oder ganzen Fahrzeugen, die mit spezieller Software erstellt werden. Diese Modelle ermöglichen die präzise Planung, Gestaltung und Analyse von Fahrzeugkomponenten, bevor diese physisch produziert werden. CAD-Modelle sind essenziell für die Entwicklung und Optimierung von Autos, da sie es Ingenieur und Designer ermöglichen, verschiedene Designvarianten zu testen, Strukturanalysen durchzuführen und Kollisionstests zu simulieren, was letztlich zu einer effizienteren und kostengünstigeren Produktion führt.

Ist Reverse Engineering legal?

Angesichts des enormen Wettbewerbs in der Automobilindustrie ist Reverse Engineering ein hilfreiches Tool zur Erhaltung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit. Modelle anderer Hersteller könnten auf diesem Wege analysiert werden, um möglicherweise kostengünstigere Ansätze für die eigene Produktion oder Entwicklung aufzusetzen. Böse Zungen mögen behaupten, sehr große Teile des Erfolgs chinesischer OEMs beruhen auf diesem Vorgehen. Andererseits schauen derzeit sicherlich auch einige hiesige OEMs „rückwärts“ auf die in Rekordzeit entwickelten Elektro-Modelle aus Fernost. Aber ist dieses Vorgehen überhaupt erlaubt?

Vor dem rechtlichen Hintergrund gemäß der europäischen Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (Richtlinie EU/2016/943) und dem U.S. Defense Trade Secrets Act (DTSA) ist Reverse Engineering durchaus legal. Bei genauerem Hinsehen muss jedoch laut der IHK Karslruhe in zwei Kategorien unterschieden werden: Produkte, die frei auf dem Markt erhältlich sind und Produkte, die öffentlich (noch) nicht verfügbar sind. Ersteres sei unbeschränkt zulässig und demnach eine legale Methode zum Erlangen von Geschäftsgeheimnissen durch Beobachten, Untersuchen, Rückbauen oder Testen eines Produkts. Letzteres – beispielsweise in Fällen, in denen Produkte einem Vertragspartner zur Nutzung zur Verfügung gestellt wurden – kann Reverse Engineering praktiziert werden, sofern keine vertragliche Einigung besteht, die dies explizit untersagt.

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