IAA meets Autobahn: In einem eigens zur Messe eingerichteten Betriebsbereich auf der A94 will unter anderem Mercedes-Benz sich in puncto Level 3- und Level 4-Fahrten präsentieren.(Bild: Mercedes-Benz)
Autonomes Fahren zwischen Theorie und Praxis – auf der IAA Mobility 2025 zeigen OEMs, Zulieferer und Forschungseinrichtungen, wie weit Fahrerassistenzsysteme sind. Mehr zu den aktuellen ADAS-Technologien erfahren Sie in unserem Überblick.
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Die vom 9. bis 14. September in München stattfindende IAA Mobility 2025 positioniert sich einmal mehr als Schaufenster für Fahrerassistenzsysteme und Autonomes Fahren – und zwar nicht nur im Konferenzraum und am Messestand, sondern auch auf dem Asphalt. Laut Veranstalter schicken 15 Unternehmen insgesamt 25 Fahrzeuge auf die Straßen rund um das Messegelände. Die Palette reicht von Sensor- und Softwareanbietern wie Aumovio, Innoviz Technologies, Mobileye, Magna oder Murata bis zu Forschungseinrichtungen wie der TU München.
Die Besucher können auf dem Beifahrersitz erleben, wie sich automatisierte Fahrfunktionen im realen Verkehr verhalten – vom Spurhalten über Abstandsregeln bis zur Interaktion mit und in komplexen Verkehrssituationen. Christian Vorländer, Geschäftsbereichsleiter Mobility der Messe München, sieht in der diesjährigen IAA „Erlebniswelt und Testlabor zugleich“.
Ein Highlight – und wohl der realistischste Härtetest – ist der von der Autobahn GmbH eingerichtete Betriebsbereich auf der A94: Zwischen dem Autobahnkreuz München-Ost und der Münchner Innenstadt erwarten die Besucher Demonstrationen sogenannter C-ITS Use Cases (Cooperative Intelligent Transport Systems) – konkrete Anwendungsszenarien, bei denen Fahrzeuge, Verkehrsinfrastruktur und weitere Verkehrsteilnehmer Informationen in Echtzeit austauschen. Geplant sind unter anderem Baustellen- und Gefahrenwarnungen. Zusätzlich wird ein Bereich für Level 3- und Level 4-Fahrten eingerichtet, wo Mercedes-Benz und Volkswagen entsprechende Szenarien präsentieren wollen.
Der wesentliche Unterschied zwischen Level 3 und Level 4 auf einen Blick.(Bild: IAA Mobility)
Dies ist gewissermaßen die logische Fortsetzung des Pilotprojekts im Freistaat: Ausgewählte Streckenabschnitte der A9, zwischen Nürnberg und München, dienen bereits seit 2017 als Digitales Testfeld Autobahn. Dieses wurde vom Bundesverkehrsministerium gemeinsam mit dem Freistaat Bayern und Vertretern der Automobilindustrie sowie der IT-Wirtschaft eingerichtet. „Wir wollen auf diesem bundesweit einzigartigen Autobahntestfeld unter Realbedingungen zeigen, dass die Digitalisierung die Sicherheit auf der Straße erhöht und den Verkehrsfluss effizienter macht“, so der bayerische Innenminister Joachim Hermann.
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Digitale Testfelder im öffentlichen Straßenraum sind ein wesentlicher Bestandteil der Forschungs- und Innovationsförderung des Bundes.(Bild: BMV)
Im Testbetrieb dürfte den IAA-Teilnehmern also auf beeindruckende Weise klar werden, wie weit fortgeschritten die ADAS-Technologien mittlerweile sind, doch werden diese durch Regularien im wahrsten Sinne des Wortes gebremst – zumindest in Europa. „Wir machen Deutschland zum Leitmarkt für autonomes Fahren“, verkündet der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD zwar vollmundig; wann dies jedoch Realität zwischen Flensburg und Garmisch wird, bleibt abzuwarten. Europaweit einheitliche Zulassungsverfahren oder verbindliche Standards sind noch Zukunftsmusik – Skepsis bleibt.
Ebenjene Skepsis soll in der bayerischen Landeshauptstadt gemindert werden. „Mit interaktiven Formaten und praxisnahen Demonstrationen wollen wir Berührungsängste abbauen, Sicherheit vermitteln und das Vertrauen in neue Technologien stärken“, so VDA-Geschäftsführer Jürgen Mindel. Tragödien wie der tödliche Xiaomi-Unfall Ende März dieses Jahres trugen und tragen auch im über 8.000 Kilometer entfernten München nicht gerade zum Vertrauen in Autonomes Fahren bei – die Branche ist, im Guten wie im Schlechten, nun mal ein Global Village.
Zwischen Showcase und Serienreife
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Zwischen spektakulären Showcases und belastbarer Serienreife liegt oft ein weiter Weg, geprägt von vielen offenen Fragen: Standardisierung, Kostendruck und Alltagstauglichkeit sind ein altbekannter Dreiklang – die IAA-Exponate sind da keine Ausnahme. So zeigt Wideye (AGC Glass) beispielsweise, wie sich Lidar- und Kamerasysteme unauffällig und geschützt hinter Glasflächen integrieren lassen – ein stimmiger Beitrag zur Designintegration und Sensorhaltbarkeit, in der Praxis natürlich stark abhängig von Sauberkeit und optischer Qualität der Abdeckung.
Mobileye bringt mit Supervision und Drive Systeme nach München, die theoretisch Level-4-Fahrten ermöglichen. Die Betonung liegt auf theoretisch. Im Alltag sind die Systeme weiterhin an Kartengenauigkeit, Wetterbedingungen und Sensorfusion-Feinheiten gebunden. Bosch setzt auf die Verbindung von Sensorik und Software, präsentiert Radar-SoCs, MEMS-Sensoren und CAN-XL-Transceiver – allesamt Bausteine, die in der Industrie enorme Verbreitung finden könnten, wenn Preis, Stückzahlen und Integrationsaufwand im wirtschaftlichen Rahmen bleiben. Welcher Konjunktiv zu einem Indikativ wird, bleibt abzuwarten.
Die IAA Mobility 2025 dürfte zeigen, dass die technische Basis für hochentwickelte Fahrerassistenzsysteme (längst) steht – und dass sowohl etablierte OEMs als auch hungrige Start-ups daran arbeiten, den Übergang vom Demo-Projekt zur belastbaren Serienlösung zu schaffen.
Gleichzeitig könnte das Event jedoch auch offenlegen, wo die Schwachstellen liegen: fehlende Harmonisierung von Standards, hohe Validierungskosten, teils unklare Geschäftsmodelle für Software-Updates. Für die Entscheider in der Branche bedeutet das: Die Innovationsdynamik ist hoch, die Zahl der möglichen Partner groß – aber die Spreu vom Weizen trennt sich nicht auf der hübsch ausgeleuchteten Messebühne, sondern im realen Straßenverkehr.
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Von der Forschung zur Fahrprüfung
Am Gemeinschaftsstand der Fraunhofer-Allianz Verkehr präsentiert das Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering seine aktuellen Arbeiten zum automatisierten Fahren. Zudem zeigen das Institut für Mensch und Mobilität, die Hochschule Macromedia, das Technologiezentrum Energie der Hochschule Landshut, die Hochschule München sowie die Technische Hochschule Ingolstadt ihre Projekte zu Fahrerassistenzsystemen und Fahrzeugtechnologien.
Prototypisches Beispiel für die Fraunhofer-Arbeit zum Thema ADAS: Das Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung forscht zu einem KI-gestützten System, mit dem autonome Fahrzeuge sicher mit Fußgängern interagieren sollen.(Bild: Fraunhofer-Institut)
Für einen Hauch von Ironie sorgt ein Pilotprojekt der TU München, das in Zusammenarbeit mit der Dekra entstanden ist: Assistenzsysteme und automatisierte Fahrfunktionen müssen eine standardisierte Fahrprüfung bestehen. Unter dem etwas sperrigen Projektnamen „Führerscheinprüfung für automatisiert fahrende Fahrzeuge“ bewertet ein menschlicher Fahrlehrer, ob das computergestützte System dieselben Anforderungen erfüllt wie ein Fahrschüler aus Fleisch und Blut.
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Die Erkenntnisse dürften spannend werden – nicht nur, weil sie den aktuellen Stand der Technik offenlegen, sondern auch, weil sie zukunftsträchtige Fragen nach Verantwortlichkeit, Kontrolle und Regulierung im KI-Zeitalter aufwerfen.