Der Einfluss von neuen OEMs und Tech-Playern auf etablierte Hersteller wird immer größer.

Der Einfluss von neuen OEMs und Tech-Playern auf etablierte Hersteller wird immer größer. (Bild: Volkswagen / Rivian / Nvidia)

Die aktuell wichtigsten Kooperationen der OEMs:

  • Volkswagen & Rivian: Die Wolfsburger haben sich erst kürzlich mit fünf Milliarden Euro beim US-amerikanischen E-Auto-Startup Rivian eingekauft und wollen künftig von dessen Knowhow bei Fahrzeugsoftware profitieren, um damit eine Abkürzung auf dem Weg zur softwaredefinierten Mobilität einzuschlagen.

  • Nissan & Honda : Bereits im März 2024 verkündeten Honda und Nissan, bei der Entwicklung künftiger E-Autos zusammenarbeiten zu wollen. Im August wurde die Absichtserklärung über gemeinsame Forschungsarbeiten zu grundlegenden Technologien im Bereich Plattformen für die nächste Generation softwaredefinierter Fahrzeuge (SDVs) dann festgezurrt.

  • JLR & Tata Communications: Mit der Integration der Move-Plattform von Tata Communications will Jaguar Land Rover neue Maßstäbe setzen. Effiziente Datenlösungen, smarte Vernetzung und optimierte Fahrzeugtechnologien für die Zukunft stehen im Fokus der erweiterten Kooperation.

  • Honda & Renesas: Mit optimierter KI-Leistung und einem neuen eigenen Betriebssystem will Honda die nächste Generation softwaredefinierter Fahrzeuge vorantreiben. Eine Kooperation mit Renesas im Bereich der SoC-Systeme soll dieses Vorhaben vorantreiben.

Alleingänger wie Tesla oder BYD werden in der Welt der Autoindustrie zunehmend zu Ausnahmen. Denn anders als viele der traditionellen Hersteller versuchen die beiden aufstrebenden Elektroautobauer einen Weg ohne viele Kooperationen zu gehen. Da Softwarekompetenz in ihrer DNA liegt, sind sie nicht gezwungen, sich externe Hilfe zu holen oder gar mit anderen OEMs zu fusionieren. Das jüngste Gegenbeispiel stammt aus Japan. Die traditionsreichen Autohersteller Nissan und Honda intensivierten ihre Kooperationen im Laufe von 2024 immer mehr. Höhepunkt war kurz vor Weihnachten die Ankündigung einer geplanten Fusion, bei der auch noch Mitsubishi dabei sein soll. Die Fragen, die bleiben: Lösen sich dadurch die Probleme, verkürzt sich dadurch der Rückstand in Sachen Software- oder Batteriekompetenz? Aus Sicht vieler Experten nicht: „Drei schwächere Spieler machen nicht unbedingt eine starke Mannschaft. Das löst die Probleme nicht wirklich“, sagt Fabian Brandt vom Beratungsunternehmen Oliver Wyman.

Neben der Software sollen Partnerschaften helfen, Zugang zu skalierbaren Plattformlösungen zu erhalten. Allgemeine Aussagen zum Wert von Partnerschaften sind in diesem Zusammenhang jedoch nicht sinnvoll. „Bei vielen Automobilherstellern liegen die größten Hindernisse für den Erfolg in den Bereichen Elektrifizierung und Software intern und nicht extern“, mahnt Pedro Pacheco von Gartner. Eine Partnerschaft mit einem Unternehmen mit starken Softwarekompetenzen sei sicherlich ein Vorteil, reiche aber möglicherweise nicht aus, um die eigentliche Ursache des Problems zu lösen. Automobilunternehmen sollten Partner daher nicht als alleinige Lösung betrachten – vielmehr sollten Partnerschaften durch eine interne Transformation ergänzt werden, empfiehlt der Fachmann.

Innovative Führung schafft Vorsprung

Auch wenn es sich – insbesondere hierzulande – viele Traditionalisten wünschen: Das Rad lässt sich nicht mehr zurückdrehen. Um künftig wirtschaftlich arbeiten zu können und eine entsprechende Anzahl an Autos verkaufen zu können, müssen diese in Sachen Software und Batterietechnologie konkurrenzfähig sein. „Software wird zunehmend das Herzstück der Branche. Wer sie beherrscht, sichert sich einen großen Teil des Wertes“, stellt Brandt klar. Zwar scheint diese Erkenntnis inzwischen auch den letzten Skeptiker erreicht zu haben, dennoch liegen zwischen Zielen und der Umsetzung oftmals Welten. Denn neben der technologischen Transformation stellt die kulturelle Komponente einer erfolgreichen Entwicklung oftmals im Weg. „Eine Führung, die software- und EV-orientiert denkt und handelt, schafft die Grundlage für eine kulturelle Transformation, die sich auf die besten Talente konzentriert und Hindernisse für deren Erfolg beseitigt“, sagt Pacheco. Nur so lasse sich erklären, warum einige Startups traditionellen OEMs in den Bereichen Software und Technologie weit voraus seien.

Auch die Frage, inwiefern strategische Allianzen Kosten senken und gleichzeitig Innovationen beschleunigen können, hängt von mehreren Faktoren ab. In einigen Fällen, so Pacheco, können sie möglicherweise weder Kosten senken noch Innovationen beschleunigen. Grund sei der aktuell stattfindende disruptive Wandel der Autoindustrie. Geld und Personal seien zwar immer noch wichtig, aber nicht entscheidend für den Erfolg von Innovationen. „Viel wichtiger ist eine Allianz, deren Führung das große Ganze versteht und auf disruptive Veränderungen setzt.“

Eines der prominentesten Beispiele der kriselnden Softwareentwicklung ist sicherlich Cariad. Einst als Hoffnungsträger aller Marken im VW-Konzern gestartet, haben inzwischen viele Marken ihre eignen Partner in Sachen Software. Das jüngste Beispiel lieferte die Kernmarke selbst. VW setzt inzwischen auf das US-Unternehmen Rivian, um den Rückstand zu verkürzen. „OEM-Kooperationen oder Zusammenschlüsse entstehen oft aus einem Zwang heraus. Die Technologietransformation ist extrem kapitalintensiv und rechnet sich am besten über große Stückzahlen“, ordnet Fabian Brandt die Gemengelage ein. Viele traditionelle Hersteller stoßen im Bereich digitaler Technologien – sei es Software, KI oder andere Felder – an ihre Grenzen, betont auch Pacheco. „Gleichzeitig sind dies die Stärken von Technologieunternehmen. Diese Ergänzung macht Partnerschaften in der aktuellen Phase der Automobilbranche besonders relevant“, so der Experte.

OEMs und Tech-Player: Wer führt, wer folgt?

Dazu kommt, dass das Abhängigkeitsverhältnis bei Kooperationen zwischen OEMs und Tech-Playern recht einseitig ist. „Technologieunternehmen wie Apple oder Nvidia erzielen meist weniger als zehn Prozent ihres Umsatzes mit der Autoindustrie. Für sie sind die Autohersteller bei Weitem nicht so wichtig wie für die klassische Zuliefererindustrie “, betont Brandt. Vertikale Partnerschaften mit klassischen Zulieferern gebe es schon lange. Horizontale Partnerschaften, bei denen beide Partner gleichberechtigt sind, seien die neue Herausforderung. Dabei treibt viele Autobauer die große Angst um, vom Bestimmer zum Handlanger degradiert zu werden. Berater Fabian Brandt beschreibt dieses Dilemma wie folgt: „Die Angst der OEMs ist, zum 'Foxconn der Autoindustrie' zu werden – also nur noch die Hardware zu liefern, während andere die intellektuelle Kontrolle übernehmen.“

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