Softwareentwickler in einem großraumbüro in portugal

Alles dreht sich um Daten und Software. Wer sich hier Spezialist ist, hat aktuell sehr gute Jobaussichten in der Autobranche. (Bild: BMW Group)

Die Schlagzeilen der Branche werden von teils drastischen Stellenkürzungen dominiert. Rund jeder fünfte Job könnte in der Autobranche in den kommenden Jahren wegbrechen, heißt es einer Studie des Verbands der Automobilindustrie (VDA). Hauptursache sei die Transformation zur Elektromobilität. Hauptbetroffene sind Beschäftigte im Maschinenbau und der Metallbearbeitung. Heißt aber auch: Nicht überall kreist die Kettensäge. Es gibt Chancen, gerade im Engineering. Außerdem spielen demographischer Wandel und unveränderter Fachkräftemangel Hochqualifizierten in die Hände. Nur: Wer ist und wird künftig gefragt sein?

„Die Jobs für die breite Masse an Talenten sind aktuell stark umkämpft – das gilt auch für den Engineering-Sektor“, beobachtet Philipp Riedel. Der Geschäftsführer von Avantgarde Experts, einem Personaldienstleister, der Fach- und Führungskräfte im Bereich Mobility & Tech vermittelt, sagt: „Viele große Unternehmen, wie Konzerne aus der Automobilbranche, stehen durch die aktuelle Volatilität am Markt vor der Herausforderung, sich ‚gesundschrumpfen‘ zu müssen.“ Doch trotz sinkender Einstellungsbereitschaft spürten Unternehmen den Transformationsdruck: „So trifft eine weiterhin hohe Projektlast auf eine teilweise reduzierte Stammbelegschaft.“ Die Chancen stünden gut für Experten, die offen für flexible Arbeitsformen sind und spezielles Fachwissen in gefragten Disziplinen mitbringen.

Diese Jobs sind jetzt und in Zukunft gefragt

Nur: Welche sind das? „Punkten kann jetzt, wer in aktuell noch Nischendisziplinen Expertise aufweisen kann, wie etwa in der Batterieentwicklung, Ladeinfrastruktur, bei Nachhaltigkeitsprozessen oder ganz gezielt über Wissen im technischen Vertrieb und der Prozessoptimierung verfügt“, zählt Riedel auf, „Hier erkennt man klar den Trend und Bedarf: Effizienzsteigerung und gleichzeitig ein Zusammenwachsen der bisher häufig isolierten Branchen Mobility, Tech und Energy“. Gefragt seien Experten, die sehr gute Schnittstellenarbeit zwischen den unterschiedlichen Disziplinen leisten können und interdisziplinäre Denk- und Problemlösungsansätze beherrschten.

Gefragt sind zudem Datenspezialisten, also Data Scientists, Data Architects und Data Engineers. Aber auch alle anderen im Engineering kommen zumindest um ein Grundverständnis rund um das Sammeln, Übertragen, Speichern und Analysieren von Daten nicht herum. Im Grunde sollte in jedem Entwicklungsingenieur auch ein kleiner Softwareentwickler stecken. Nicht nur einfach ein Programmierer, sondern jemand mit einem Verständnis für Konzeption, Entwicklung und Implementierung von Software.

Das Software-Defined Vehicle (SDV) ist mehr als ein trendiges Schlagwort: „Mit ihm werden Fahrzeugfunktionen deutlich schneller entwickelt, im Fahrbetrieb unterstützt und aktualisiert“, sagt Michele Del Mondo, der bei dem Softwareunternehmen PTC die Markt- und Geschäftsentwicklung für die Sparte Mobility verantwortet. Das bleibe für Jobprofile in der Entwicklung nicht ohne Konsequenzen: „Aus dem klassischen Entwickler, etwa mit Fokus Mechanik, wird zunehmend einer, der in virtuellem Engineering versiert ist.“

Das Engineering läuft nicht nur mehrgleisig, es erfordert auch eine nie dagewesene Vernetzung über Abteilungen, Fachbereiche und Disziplinen hinweg. „Das Gebot der Stunde ist Systems Engineering, um Komplexität zu beherrschen“, unterstreicht Del Mondo. Gut für den schwächelnden Automotive-Arbeitsmarkt ist also gerüstet, wer interdisziplinäres kollaboratives Entwickeln mit modernen und virtuellen IT-Tools beherrscht. Vor allem sollte man in neuen (cloudbasierten) Entwicklungsmethoden im Bereich Crash-Simulation, 3D-Engineering oder Generative Design versiert sein.

Ohne KI-Kompetenzen geht es künftig nicht

Hinzu kommt, dass KI das Engineering durch automatisierte Prozesse beim Coden, der Simulation und im Testing stark verändern wird – wer da nicht mitzieht und die Werkzeuge beherrscht, den könnte die KI tatsächlich überflüssig machen. Denn KI-Tools können schon jetzt bei der Materialauswahl, Leichtbauoptionen und Strukturdesigns helfen, indem sie passende Vorschläge nach vorher definierten Kriterien unterbreiten und diese bewerten. So kommt gewissermaßen über Nacht Geschwindigkeit in den Prozess, der nicht mehr von A bis Z in Menschenhand liegt.

„Schon jetzt werden auf diese Weise mehrere Wochen Zeitgewinn in Entwicklungsprojekten erreicht“, betont Del Mondo. Dass KI-Tools komplett die Softwareentwicklung übernehmen werden, kann er sich jedoch nicht vorstellen. Aber: „Bei vielen Entwicklungsaufgaben wird es ausreichen, wenn Anforderungsingenieure Rahmenbedingungen vorgeben und die KI diese dann umsetzt.“ Das sollte man wissen. Und es zeigt: Nicht nur der Wandel der geforderten Kompetenzen ist beständig – er wird auch immer schneller.

Index zur Nachfrage nach Fachkräften aus den Bereichen IT, Ingenieurwesen und Vertrieb in der Automobilbranche in Deutschland vom 1. Quartal 2015 bis 4. Quartal 2024
Die Nachfrage nach ITlern, Ingenieuren und Vertrieblern ist im vergangenen Jahr massiv eingebrochen. Der Arbeitsmarkt in der Autobranche wird ungemütlicher. (Bild: Hays/Statista)

Sofern möchte sich Personalexperte Riedel auch nicht auf eine Liste zukunftsträchtiger Jobs festnageln lassen: „Aufgrund der Schnelllebigkeit unserer Märkte spreche ich inzwischen lieber von Future Skills als von Zukunftsjobs“, sagt er. „Denn Berufsbilder wandeln sich heute ebenso schnell wie Produkte und Services.“ Es gäbe aber Fähigkeiten, die helfen, in dynamischen Zeiten am Arbeitsmarkt aktuell zu bleiben: „Hierzu zählen für mich in erste Linie, die Bereitschaft zu Veränderung, ein resilientes Mindset und die Kompetenz, Komplexität zu verstehen. Es geht in der Entwicklung eben nicht mehr um den einklappbaren Außenspiegel.“

Vielmehr gehe es um extrem vernetzte digitale Funktionalitäten, die mit zwanzig Schnittstellen sprechen. Dafür müssten Entwickler vorausschauend arbeiten, technologieoffen sein, gutes Schnittstellendenken mitbringen und intrinsisch motiviert sein. „Wer nach vorgegebenem Plan arbeiten will, wird es sehr schwer haben“, so Riedel, „Gefragt sind Menschen, die eigenständig kreative Lösungen entwickeln und sich strukturieren können.“

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