Cupras Flaggschiff Tavascan im Praxistest
Macht was her: Der lilafarbene Tavascan zieht viele Blicke auf sich.
Eine Langstreckenfahrt zeigt: Der Cupra Tavascan VZ fährt souverän, denkt mit – und klingt besser als viele Konkurrenten. Doch nicht alles klappt reibungslos im digitalen Alltag. Wo glänzt er, wo muss Cupra nachbessern?
Während der Kollege noch in den Federn liegt, steht sein Reisemobil samt Autor dieser Zeilen bereits an der Ladesäule. Landsberg am Lech, 9 Uhr morgens. 99 Prozent Akkustand sind erreicht, 375 Kilometer Restreichweite zeigt der Bordcomputer an. Vor uns liegen 635 Kilometer, in Niedersachsens zweitgrößte Stadt, Braunschweig – quer durch die Republik, mit zwei eingeplanten Ladestopps und offenem Blick auf alles, was der Cupra Tavascan VZ an Assistenz, Infotainment und Alltagskomfort zu bieten hat. Nach knapp sieben Stunden ist klar: Dieses Auto macht nicht nur Show. Es kann auch Substanz.
Der Tavascan steht da wie gemalt. Breite Schultern, geduckte Haltung, leuchtende Cupra-Logos vorn und hinten. Das Design wirkt wie aus einem Marvel-Storyboard gefallen – und macht genau deshalb Eindruck. Vor allem nachts inszeniert sich der Tavascan mit seinen dreieckigen Lichtsignaturen gekonnt. Innen dominiert ein riesiges 15-Zoll-Display, flankiert von einer kupferfarben schimmernden Spange, die sich bis in die Türen zieht. Sieht hochwertig aus, besteht aber aus Hartplastik. Sei’s drum – die Optik funktioniert.
Impressionen vom Tavascan-Test
Assistenzsysteme: Stabil, souverän, subtil
Der Travel Assist lässt sich über einen simplen Tastendruck links am Lenkrad aktivieren – und überzeugt auf Anhieb. Spurführung und Abstand halten funktionieren präzise und sanft, auch bei unserer Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 120 km/h. Das Fahrzeug fährt wie an einem digitalen Faden geführt. Nur gelegentlich erinnert das System daran, die Hände bitte wieder ans Lenkrad zu nehmen – was streng genommen nicht nötig wäre. So stabil liegt der Cupra auf der Bahn.
Besonders angenehm: Das Zusammenspiel von Abstandsregelung und sanftem Bremsverhalten. Wenn ein Fahrzeug einschert, verzögert der Tavascan ohne ruckartige Eingriffe. Das schafft Vertrauen. Einzig das Wiederanfahren auf Landstraßen nach abbiegenden Fahrzeugen dauert manchmal ein paar Sekunden zu lang – da dürfte die Sensorik gern etwas schneller sein.
Verbrauch und Langstreckenbilanz: Praxis statt Prospekt
Am Ende der Fahrt stehen 652 Kilometer, 6 Stunden 41 Minuten Fahrzeit und ein Verbrauch von 18,4 kWh/100 km auf dem Display – bei einem Schnitt von 99 km/h. Der offizielle WLTP-Wert von 17,1 kWh wird also im Alltag knapp übertroffen, was angesichts von Volllastphasen, Außentemperaturen um die 16 Grad und einem zügigen Autobahnschnitt völlig im Rahmen ist. Die vorab kalkulierte Reichweite liegt bei knapp 400 km – realistisch und planbar.
Zweimal wurde geladen, jeweils mit DC 141 kW Spitze. Der erste Stopp wurde kurzerhand früher als geplant eingelegt, da sich der Koffeinmangel des Kollegen auf die Stimmungslage im Innenraum auswirkte. Den Tavascan störte das nicht. Genau 17 Minuten dauerte das Kaffeeholen und Aufladen, bis es weiterging. Fix erkannte das System unsere Planänderung und passte die Route an. Aus den vorgeschlagenen zwei weiteren Stopps löschten wir kurzerhand einen manuell. Auch hier gab es keinerlei Murren oder Komplikationen. Mit 120 km/h ging es gemütlich weiter die A7 gen Norden.
Zugegeben, wir hatte auch nahezu ideale Bedingungen. Rund 20 Grad erreichte die Außentemperatur an diesem Tag. Doch der oft gebrachte Vergleich vom Gefühl des Segelns, wenn man in einem Stromer unterwegs ist, fühlte sich an diesem Tage passend an. Ladestopp zwei erreichten wir mit acht Prozent Restakkukapazität. Für 26 Minuten war der Cupra angedockt und mit genau 80 Prozent fuhren wir gestärkt Richtung Südostniedersachsen.
Infotainment: Flink, durchdacht – und mit Gänsehaut-Faktor
Das zentrale Infotainmentsystem gehört zum Besten, was derzeit auf MEB-Basis unterwegs ist. Menüführung, Geschwindigkeit, Klarheit – alles auf einem hohen Niveau. Der Wechsel zwischen Apple CarPlay und den nativen Cupra-Apps funktioniert reibungslos. Wer Navigation, Musik und Fahrzeugsteuerung gleichzeitig nutzen will, wird sich schnell zurechtfinden.
Ein echtes Highlight ist das optionale Sennheiser-Soundsystem. Selten hat ein E-SUV dieser Klasse so voluminös, präzise und raumfüllend geklungen. Die Klangabstimmung ist so gut gelungen, dass sich die digitale Welt im Innenraum akustisch wie eine High-End-Lounge anfühlt – ein Gänsehautmoment, sowohl bei ruhigen Tracks und Podcasts als auch bei satten Bässen oder Gitarrensolos.
Routenführung: gut, aber nicht perfekt
Nach rund 80 Kilometern sind wir von Google Maps aufs Cupra-eigene Navigationssystem umgestiegen. Die Umstellung klappt intuitiv, die Bedienung wirkt durchdacht. Besonders positiv: Man kann einen gewünschten Rest-Akkustand bis zur nächsten Ladesäule definieren. Das schafft Puffer und vermeidet die viel zitierte Reichweitenangst.
Weniger gelungen: Es gibt keine Filtermöglichkeit für Ladeanbieter. Wer nur mit bestimmten Ladekarten unterwegs ist, wird auch Vorschläge für unpassende Stationen erhalten. In Zeiten wachsender Anbieter-Vielfalt wäre eine Personalisierung hier dringend nötig.
Fahrmodi und Alltagstauglichkeit: Sport mit Einschränkung
Per „Drive“-Taste lassen sich verschiedene Modi wie „Range“, „Comfort“, „Performance“ oder „Cupra“ wählen. Die Charakteristik ändert sich spürbar – insbesondere beim Ansprechverhalten und bei der Rekuperation. Letztere ist jedoch nicht frei einstellbar, sondern an die Modi gekoppelt. Wer auf definierte One-Pedal-Gefühle steht, darf keinen Assistenten aktvieren, denn nur dann fungieren die Plus- und Minuswippen hinterm Lenkrad als Rekuperationshebel.
Problematisch im Alltag: Im Range-Modus ist die Geschwindigkeit auf 130 km/h limitiert. Wer kurzzeitig überholen will, muss zuerst den Modus wechseln – das ist unnötig kompliziert und kostet Zeit. Ansonsten ist das Fahrverhalten agil, gut abgestimmt und selbst bei sportlicher Fahrweise komfortabel – der Cupra zeigt, dass sich MEB-Modelle auch fahrdynamisch voneinander absetzen können.
Fazit: Der Tavascan will alles – und kann vieles
Der Cupra Tavascan VZ ist mehr als ein modischer Ableger auf VW-Basis. Er hat Charakter, Technikkompetenz – und genug Alltagstauglichkeit, um auch Langstrecken souverän zu meistern. Die Assistenzsysteme sind sauber abgestimmt, das Infotainment zählt zur digitalen Oberklasse im Konzern. Dazu kommen, zumindest in unserem Testwagen, ein grandioses Soundsystem und ein Design, das polarisiert.
Nur bei Sachen wie Ladefiltern, der frei konfigurierbaren Rekuperation und der Range-Modus-Logik ist noch Luft nach oben. Unterm Strich bleibt aber ein Fahrzeug, das sich spürbar von seinen Plattformbrüdern absetzt – und genau das liefert, was die Marke Cupra verspricht.
Alle Tests auf einen Blick: