Jahresrückblick automotiveIT 2024

Von A wie Autonomes Fahren bis Z wie Zusammenarbeit: Wir haben auf die wichtigsten Themen der Automobilbranche im Jahr 2024 zurückgeblickt und diese für Sie zusammengefasst. (Bild: junghc1/Adobe Stock. Illustration: Andreas Croonenbroeck)

automotiveIT Kongress 2025

IT Team Award automotiveIT

Der automotiveIT Kongress 2024 zeigte vor allem eines: IT ist Business und Business ist IT. CIOs wie Katrin Lehmann und Alexander Buresch sowie IT-Experten und Branchenkenner gaben spannende Einblicke in die Digitalisierung der Automobilindustrie und diskutierten die wichtigsten Tech-Trends.
Save the Date! Am 18. September 2025 geht Deutschlands größtes Branchentreffen der Automobil- und IT-Industrie in Berlin in die nächste Runde. CIOs und IT-Experten stellen ihre Strategien und Projekte vor. Erleben Sie spannende Vorträge, Paneldiskussionen, Insights auf unseren Deep Dive-Bühnen, die Verleihung der nächsten IT Team Awards und natürlich das Networking mit der Community hautnah. 🎫 Jetzt Frühbucher-Ticket sichern!

Januar bis März

Dass die Digitalisierung mittlerweile sämtliche Prozesse in der Automobilindustrie bestimmt und dennoch weiterhin eine der zentralen Herausforderungen in Branche ist, dafür musste es nicht erst 2024 werden. Dass das Thema nun aber auch auf der Landkarte der obersten Chefetage der OEMs zu finden ist? Keine Selbstverständlichkeit. Gleich im Januar setzte BMWs Finanzvorstand Walter Mertl eine Duftmarke: Der „Herr der Zahlen“ bei den Münchnern stellte nicht nur neue Finanzmittel in dreistelliger Millionenhöhe in Aussicht, sondern berichtete zudem über ein neues Vorstandsgremium, das sich exklusiv um die Belange von KI und Co. bei BMW beschäftigt.

Was die Autoindustrie in Sachen Digitalisierung des Fahrzeugs selbst im Köcher hat, dafür ist eigentlich die Consumer Electronics Show Anfang des Jahres in Las Vegas mittlerweile einer besten Gradmesser. In diesem lag der Fokus der OEMs vor allem auf einem Thema: künstliche Intelligenz. ChatGPT und Co. halten jetzt auch Einzug in die User Interaction und sollen das Nutzererlebnis auf ein neues Komfort-Level hieven.

Künstliche Intelligenz prägt auch im Februar die Schlagzeilen bei automotiveIT: Um den Einsatz smarter Algorithmen im Konzern und den eigenen Fahrzeugen voranzutreiben, hat Volkswagen ein eigenes AI Lab ins Leben gerufen, das weltweit entsprechende Innovationen aufspüren soll. Derweil ruft Microsoft mehr als drei Milliarden Euro auf, um auch in Deutschland bei KI-Innovationen voranzukommen. Es ist die größte Einzelinvestition in der vierzigjährigen Geschichte des US-Software-Riesen in Deutschland und ist ein wichtiges Signal für den heimischen Innovationsstandort.

Ein deutliches Signal kommt im März vonseiten der Europäischen Union: So müssen Hersteller ab Mitte des Jahres im Rahmen der Richtlinie UNECE WP.29 nachweisen, dass sie über ein Cybersecurity-Managementsystem verfügen, das auf Fahrzeuge im Straßenverkehr anwendbar ist. Konsequenz für die Hersteller wie VW: Sie müssen ältere Modelle wie den Up oder den Porsche Macan in der Verbrennerversion aus dem Programm nehmen. Die Kosten für eine Umrüstung wären einfach zu groß.

Ende des ersten Quartals dann noch eine bedeutende Meldung für die automotiveIT-Community: Der CIO von Mercedes-Benz, Jan Brecht, verlässt das den schwäbischen Premium-OEM (in Richtung Japan). An seine Stelle tritt Kathrin Lehmann, die bis dato erst seit einem Jahr in der Mercedes-IT unterwegs und davor viele Jahre beim Softwareriesen SAP tätig war. Auf dem automotiveIT-Kongress im Herbst zeigte Lehmann dann eindrucksvoll ihre Digitalisierungs-Agenda auf und wieso an der ein oder anderen Stelle eine „Kehrwoche“ nötig war.

 

April bis Juni

Mit dem Ziel, eine resiliente und transparente Lieferkette zu schaffen, setzt Catena-X auf eine enge Zusammenarbeit zwischen Herstellern, Zulieferern und IT-Dienstleistern. „Wir müssen oft Grundlagenarbeit leisten, um alle Beteiligten auf den gleichen Wissensstand zu bringen", erklärt Oliver Ganser, Vorsitzender des Catena-X-Konsortiums im Interview mit automotiveIT und verweist auf die Herausforderungen in der Implementierung der neuen Standards. Auf dem automotiveIT Salon zum Thema Supply Chain Management im Rahmen der Hannover Messe fordern Catena-X-Experten wie Frank Göller und Luise Müller-Hofstede eine stärkere Vernetzung und ein kulturelles Umdenken der Branche. Nur durch partnerschaftliche Ansätze können komplexe Herausforderungen wie Materialengpässe und Lieferausfälle bewältigt werden, so das Panel.

automotiveIT Salon "Supply Chain Management in Krisenzeiten - Transparenz, Resilienz und Effizienz entlang der automobilen Lieferkette"
Der automotiveIT Salon bietet als regelmäßiges Format führenden Experten aus der Automobilindustrie eine Plattform zum Austausch über Herausforderungen und Lösungsansätze. (Bild: Sabine Berkefeld)

Im Mai beschließen die EU-Staaten schärfere Regeln für KI. Diese sollen sicherstellen, dass KI-Systeme möglichst transparent, nachvollziehbar, nicht diskriminierend und umweltfreundlich sind und bleiben. Bundesdigitalminister Volker Wissing gibt jedoch zu, dass nicht alle Szenarien rund um die Technologie durch das neue Gesetz restlos geklärt werden können und Zukunftsfragen offen bleiben. Doch der Hype um KI lässt sich davon kaum entschleunigen: Nur einige Wochen später implementiert Volkswagen ChatGPT über den Sprachassistenten IDA in die ID-Familie, die neuen Modellen des Golfs sowie in den Tiguan und Passat. Anschließend bringen auch Skoda und Audi den Chatbot in ausgewählte Fahrzeuge.

Weiterhin stehen die Vorteile der Künstlichen Intelligenz im Rampenlicht. Audi verfolgt sein Ziel ein datengetriebenes Unternehmen zu werden und setzt dabei unter anderem auf die AI Aided Design Platform, um die Entwicklung neuer Felgen voranzutreiben. Ein Blick in die Entwicklungsteams der anderen Automobilhersteller verrät, dass die KI zukünftig nicht nur im Design, sondern in der gesamten Fahrzeugentwicklung maßgeblich unterstützen wird. So auch im Bereich der Fahrassistenzsysteme, Antriebsentwicklung und im Monitoring des Alterungsverhaltens von Lithium-Ionen-Batterien.

Gegen Ende des zweiten Quartals stehen weitere personelle Veränderungen in der Automobilbranche an. Audi beruft Geoffrey Bouquot zum neuen Software-Vorstand, um die softwarezentrierte Transformation des Unternehmens voranzutreiben. Auch Continentals Vorstand ruckelt sich zurecht: Rechtsvorstand Olaf Schick übernimmt zusätzlich das Finanzressort von der scheidenden Katja Garcia Vila. Davon abgespalten wird die IT-Verantwortung, die künftig Vorstandschef Nikolai Setzer übernimmt. Die CIO-Rolle bei Volkswagens IT-Tochter Cariad übernimmt Petra Clemens, die zuvor als IT-Chefin bei Logistikunternehmen VTG dessen Transformation leitete.

Trotz neuer CIO macht sich Verunsicherung bei Cariad breit. Mutterkonzern Volkswagen und E-Autohersteller Rivian gründen ein Joint Venture, um gemeinsam softwaredefinierte Fahrzeuge zu entwickeln. Volkswagen investiert bis zu fünf Milliarden US-Dollar in diese Partnerschaft, um von Rivians fortschrittlicher Software- und Elektronikarchitektur zu profitieren und die Digitalisierung sowie Effizienz zukünftiger VW-Modelle zu steigern. Pedro Pacheco, Vice President of Research bei Gartner, kommentiert im Interview mit autmotiveIT: „Die zentrale Frage ist, ob Volkswagen künftig in der Lage ist, eine konkurrenzfähige Fahrzeugarchitektur selbst zu entwickeln." Die Kooperation wirft Fragen zur Zukunft von Cariad auf, da die Hauptverantwortung für Softwareentwicklungen nun beim Joint Venture liegt. Dies könnte zu einer Neuausrichtung oder Reduzierung von Cariads Aufgaben führen.

Ebenfalls auf Softwareentwicklung konzentrieren sich Bosch und Mercedes. „In Zukunft wird es kein Fahrzeug mehr ohne Software von Bosch geben“, erklärt CEO Stefan Hartung selbstbewusst zu Beginn des Bosch Tech Day in Renningen bei Stuttgart und unterstreicht damit, dass Software und digitale Dienste für den Zulieferer zu einer der wichtigsten Säulen des eigenen Geschäfts geworden sind. Ziel sei es, die eigene Rolle in der Digitalisierung der Automobilindustrie auszubauen und innovative Softwarelösungen für vernetzte Fahrzeuge, autonome Systeme und Elektromobilität anzubieten. Bosch plant, verstärkt in Softwareplattformen und neue Geschäftsmodelle wie Software-as-a-Service (SaaS) zu investieren.

Auch Mercedes hat einen strategischen Wandel vollzogen und, um die Digitalisierung seiner Fahrzeuge voranzutreiben. Durch die Entwicklung eigener Software-Stacks und die Integration von Features wie Over-the-Air-Updates wird Software nicht mehr als Ergänzung, sondern als eigenständiges Produkt betrachtet. "Wir haben Software als Produkt bei Mercedes etabliert", erklärt Magnus Östberg, Chief Software Officer bei Mercedes im Interview und betont, dass Software-Entwicklung nun ähnlich wie Fahrzeugkomponenten behandelt wird.

Mercedes-Benz Software-Chef Magnus Östberg im Fahrzeug
Seit Jahren arbeitet Mercedes am MB.OS. Nun steht der vollumfängliche Rollout kurz bevor. Im Interview spricht Software-Chef Magnus Östberg über den aktuellen Stand, die Bedeutung von OTA-Updates und die zunehmende Trennung von Software und Hardware. (Bild: Mercedes-Benz)

Das Thema autonomes Fahren entwickelt sich im zweiten Quartal 2024 durch wichtige Entwicklungen und strategische Entscheidungen weiter. Volkswagen Nutzfahrzeuge setzt auf eine ganzheitliche Strategie für autonomes Fahren und fokussiert sich auf ein Komplettprodukt, das Software, Hardware und Dienstleistungen integriert. "Wir entwickeln autonomes Fahren als ganzheitliches Produkt", erklärt Christian Senger, Leiter Autonomes Fahren bei VWN im Interview und unterstreicht den Anspruch, autonome Mobilität aus einer Hand anzubieten. Parallel hat BMW mit der Einführung eines Fahrzeugs, das Level 2- und Level 3-Autonomie in einem System vereint, einen technologischen Meilenstein erreicht.

Mercedes hat mit seinem Drive Pilot-System, das für Autobahnfahrten unter bestimmten Bedingungen zugelassen ist, ebenfalls den nächsten Schritt in Richtung Hochautonomie gemacht. Der Drive Pilot wurde intern als „Mondlandung“ bezeichnet und steht symbolisch für die komplexen Herausforderungen und die Innovationskraft, die in diesem Projekt stecken. Porsche hingegen verfolgt einen differenzierten Ansatz und betont, dass seine Fahrzeuge auch in einer autonomen Zukunft den Fahrer in den Mittelpunkt stellen werden. „Ein Porsche wird ein Selbstfahrerfahrzeug bleiben“, so Jürgen Bortolazzi, Leiter Driver Assistance und Automated Driving bei Porsche.

Juli bis September

automotiveIT hat erneut die umsatzstärksten IT-Dienstleister in der Autoindustrie aufgelistet. Im jährlichen „Top 25 IT-Dienstleister Ranking“ konnten 2024 Accenture (1.0004 Mio. Euro), Infosys (884 Mio. Euro) und IBM (800 Mio. Euro) überzeugen und die Plätze auf dem Podium belegen.

Mit einem neuen Standort in Rumänien erweitert BMW das globale Netzwerk seiner IT- und Software-Hubs. automotiveIT konnte sich zur Eröffnung vor Ort ein Bild vom neuen IT-Standort machen. Nur wenig später öffnete BMW seine Türen im IT-Hub Südafrika für einen exklusiven Blick hinter die Kulissen. Hub-Chef Thorsten Achenbach nannte den Standort eine „echte Delivery Machine“.

Das Software-defined Vehicle nimmt Fahrt auf. So haben die beiden japanischen OEMs Nissan und Honda eine Absichtserklärung unterzeichnet, in der sie die gemeinsame Entwicklung von SDV-Plattformen planen. Volvo ist bereits einen Schritt weiter: Die Schweden stellten in Göteborg die neue Software-definierte Fahrzeugplattform „Volvo Cars Superset“ vor, auf der künftig sämtliche E-Modelle des Herstellers basieren werden.

Das Software-defined Vehicle mit seinen Chancen und Herausforderungen verlangt ohne Zweifel neue Kompetenzen und Skills von Ingenieuren und Softwareentwicklern. Die Coding-Schule 42 Wolfsburg adressiert diesen Wandel mit dem Ausbildungsprogramm SEA:ME. automotiveIT konnte sich ein umfassendes Bild vom neuen Programm machen.

Der langjährige Continental-CIO Christian Eigler verkündet seinen Ausstieg beim Zulieferer und geht in den Ruhestand. Sein Nachfolger als IT-Chef der Hannoveraner wird Steffen Brinkmann, zuvor Senior Vice President HR und Head of Global People Services bei Continental.

Der September steht bei automotiveIT im Zeichen der CIO-Strategien: BMWs IT-Chef Alexander Buresch betont im Interview die enge Verzahnung mit den Fachbereichen als Erfolgsfaktor für die Digitalisierung. automotiveIT widmet der BMW Konzern-IT eine ganze Sonderausgabe. Zudem gibt Katrin Lehmann ihr Interview-Debüt bei automotiveIT. Die neue Mercedes-Benz-CIO hat den „Kehrbesen“ im Gepäck und schreckt nicht davor zurück, Tools und Prozesse beim Traditionsautobauer auf den Prüfstand zu stellen.

Oktober bis Dezember

Einen Monat später waren die beiden CIOs auch Headlinder unseres Branchentreffens in Berlin. Auf dem automotiveIT Kongress sprachen Mercedes-Benz CIO Katrin Lehmann und BMW-CIO Alexander Buresch. Am Ende ders Tages wurden erneut die IT Team Awards verliehen. Die Gewinner gibt es hier noch mal nachzulesen.

Ebenfalls direkt am 1. Oktober machte der Abschied von Porsche-CIO Mattias Ulbrich Schlagzeilen. Die Nachfolge an der Spitze der Porsche-IT übernimmt Maren Springmann, die künftig die Leitung der Hauptabteilung Digital Solutions und damit den CIO-Posten bekleiden wird.

Im Laufe des Oktobers veröffentlichten wir viele Artikel aus unserem Sonderheft zur Konzern-IT bei BMW. Das Thema Cloud-Migration oder der Besuch des IT-Hubs in Südafrika waren nur zwei von vielen interessanten Stücken dazu.

Bevor der Börsenkurs des Unternehmens nach der Wiederwahl von Donald Trump in die Höhe schnellte, machte Tesla bereits im Oktober Schlagzeilen mit der Ankündigung von Cybercab und Robovan.  Ebenso interessant war die Nachricht, dass BMW im 7er erstmals die SAE-Level 2+ und 3 vereinen wird. Wir hatte die Gelegneheit, diese Funktionen im i7 selbst zu testen.

Sie möchten gerne weiterlesen?